Volltext: Mit Herz und Hand fürs Vaterland!

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in Stambul (Konstantinopel) alle mohammedanischen Kriegsgefangenen zusenden 
und sie unter seinen Schutz stellen will, so ist der Begeisterung kein Ende 
mehr. Alle möglichen Pläne werden dann gemacht und eifrig besprochen. 
Der eine will überhaupt in Stambul bleiben, andere wollen die Gelegenheit 
benutzen, um nach Mekka zu wandern, andere wieder freuen sich, in Afrika 
alles erzählen zu können, was sie auf ihren Reisen erlebten. Das eine ist 
sicher, daß alle diese Araber die größte Anhänglichkeit an Deutschland in ihre 
Heimat tragen werden, und nach dem Kriege wird für lange Zeit in den 
Kaffeehäusern von Konstantine, Tunis, Tlemsen und in den Zelten der Be- 
dninen der Gesprächsstoff nicht ausgehen. 
Unter den Arabern unserer Lazarette sind einzelne sehr interessante Ge- 
stalten. Da ist der gelehrte Schneider, der zwölf Jahre an der Hochschule 
der Moschee Zeituua in Tunis studierte. Als ich ihn das erste Mal traf, 
fiel mir sofort sein gewähltes Arabisch auf. Mit kindlicher Freude erzählte 
mir der brave Schneider, der in seiner Heimat für Mutter und Schwestern 
durch sein ehrsames Handwerk das Brot verdienen muß, von seinen „theo- 
logischen Studien". Die neue, zukuuftsfrohe Bewegung der intellektuellen 
Kreise des Islam ist an ihm nicht vorübergegangen. Neben dem Koran, den 
er fast ganz auswendig weiß, hat er eine Menge Bücher gelesen. Seine größte 
Sehnsucht ist nun, ein berühmtes mystisches Werk der arabischen Literatur 
zu lesen, ein Wunsch, den ich ihm leider nicht erfüllen kann. Der brave 
Schneidermeister, ist für seine Landsleute ein liebreicher Tröster und leistet 
ihnen die größten Dienste. Er ist nämlich auch der Generalsekretär für alle 
schreiblustigen Araber, denen er die zierlichsten Handschreiben an die Ange- 
hörigen anfertigt, Schreiben^ die in so eleganter Sprache geschrieben sind, daß 
die Eltern, Frauen und Freunde in der Heimat eines anderen Schriftgelehrten 
bedürfen, um den Inhalt zu begreifen. 
Da ist auch ein arabisierter Neger, dessen dicke Lippen den ganzen Tag 
zum Lachen bereit sind. Er selber konnte leider nicht schreiben, aber er wagte 
es offenbar nicht, die Dienste des gelehrten Schneiders in Anspruch zu nehmen. 
Da aber alles um ihn herum schrieb, verlangte er kurzerhand einen Bogen 
Papier und kritzelte eifrig darauf herum, bis es von weitem gesehen fast wie 
Schrift aussah. Das große Kind dachte, daß seine Frau, an die dieser Brief 
adressiert werden sollte, vielleicht doch etwas aus dem krausen Gekritzel heraus- 
lesen könne, jedenfalls soviel, daß er noch am Leben sei. Nun hat der Schneider 
sich seiner angenommen und schreibt der schwarzen Ehehälfte am Wüstenrand 
einen klassischen Brief. 
Da ist auch der Tunesier aus Susa, der lieblichen Stadt am Meere. Er 
ist schwer verwundet, und als ich ihn besuchte, schwebte er noch in Lebensgefahr. 
Wie froh war er, als er von seiner Frau und seinen Kindern erzählen konnte. 
Es war das Bild seines kleinen Töchterchens, das besonders in seiner Er- 
innerung lebte. In dem weichen melodischen Dialekte Tunesiens plauderte er 
von seiner Kleinen, die er so lieb habe und die so reizend sei. „O könnte ich 
sie nur einen Tag sehen," seufzte er. Seine Augen schlössen sich, und der
	        
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