Volltext: Mit Herz und Hand fürs Vaterland!

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Stunde rückwärts gedreht wurden. Das war der erste „Fortschritt", den Frank- 
reich brachte. Die zweite Aktion bedeutete die Gefangennahme zurückgebliebener 
altdeutscher Beamten. Für einzelne konnten hiesige Bürger vermitteln. Dann 
gingen die Zerstörer ans Werk. Alle Apparate auf der Post wurden kurz 
und klein geschlagen. Ein Beamter schätzt den Schaden auf 150000 Mark. 
Auch das Transformatorenhaus des hiesigen Elektrizitätswerkes erhielt einen 
Denkzettel vom französischen Besuche. Unter furchtbarem Knall flog es in 
die Luft. Der Direktor des Werkes berechnet den Schaden auf 2 Millionen. 
Wir sahen dann etwa acht Tage keine französischen Soldaten mehr. Sie 
zogen gegen den Rhein. Diese acht Tage waren eine harte Probe für die 
Bevölkerung. Wir waren völlig von der Mitwelt abgeschlossen. Keine Zeitung, 
kein Brief, keine Nachricht drang durch. Daß der Heilige Vater gestorben 
war, erfuhren wir erst drei Tage später. Und diese Nachricht verdankten wir 
nur einem Zufall. 
Um so wilder kursierten die falschen Gerüchte: Die Deutschen brennen 
die katholischen Kirchen nieder, sie erschießen die katholischen Geistlichen, sie 
haben Mülhausen, Sennheim, Usfholz, Burrweiler in Grund und Boden 
geschossen! Die Elsässer würden kolonnenweise an die Wand gestellt und 
erschossen. Natürlich waren die Russen schon in Berlin, die Franzosen in 
Köln, das Fort Kaiser Wilhelm ll. in Mutzig gefallen und Breisach in 
französischen Händen. Man wundert sich heute, wie die Bevölkerung trotzdem 
eiserne Ruhe bewahrte! 
Die Franzosen brachten natürlich die nämlichen Märchen in Kurs wie 
1870. Die deutschen Schrapnells seien ganz unschuldige Dinger. Zum Eut- 
setzen der Preußen platzten sie nicht, und wenn je so ein Ding platze, richte 
es keinen Schaden an. Die Deutschen rissen nur so aus vor den Franzosen. 
Der Hunger treibe ganze Regimenter zur Uebergabe usw. 
Die Denkenden waren das Gerede von 1870 gewohnt und gaben nicht 
viel darauf. Ein Veteran, ein alter französischer Grenadier, sagte mir gestern 
noch: Ich Hab jetzt die Deutschen und die Franzosen durchziehen sehen. Bei 
den Deutschen ist alles nagelneu bis auf den letzten Knopf, die deutschen 
Pferde sind wie aus der „Rell" (Rolle); die Franzosen sind nicht besser ge- 
rüstet als für ein Manöver; die Pferde an den Artilleriewagen sind dürre 
„Klepper". Der Eindruck ist durchaus objektiv. 
Freitag und Samstag, den 28. und 29. August, wagten sich die deutschen 
Patrouillen wieder ins Tal. Die Ebene scheint nun ganz von den Franzosen 
geräumt. Die Autobus bringen gegen Abend das sehnlich erwartete Mehl 
von Colmar. Mit Hellem Zubel wurden die Wagen begrüßt. In allen 
Bäckereien war das Mehl ausgegangen. Die Franzosen hatten zwar ver- 
sprochen: „Vous aurez de la farine, s'il fallait la chercher au dessus du 
ballon." So hatten sie gesagt, hatten aber nichtsdestoweniger Mittwoch, den 
26. August, das letzte Brot eines Arbeiterkonsumvereins aufgekauft. Gottlob 
ist durck den Abzug der Franzosen nun diese Frage gelöst.
	        
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