Volltext: Mit Herz und Hand fürs Vaterland!

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Krieg verwischte die Standesunterschiede. Nicht nur die Männer, die im 
Felde stehen, sind Kameraden. Auch in den Frauen waltet der Geist der 
Gemeinsamkeit. Sie alle tragen ja die gleiche Not des Wartenmüssens, die 
Last der Ungewißheit. Und wie tapfer! — Da sind die Kinder, die nach 
dem Vater fragen. — „Er kommt wieder — er kommt bald!" tröstet die 
Mutter, und weiter sucht ihr Blick in den Seiten. Bis sie erleichtert aufsteht. 
Doch in ihrem Lächeln liegt schon wieder die Spannung der Angst: Stand 
auch heute der geliebte Name noch nicht unter den vielen, morgen schon kann 
sie ihn dort finden und hinter ihm den Vermerk: verwundet — oder die eine 
kurze Silbe, schneidend und scharf wie ein Schwert, die alles sichere Glück 
und alle Hoffnung endet: tot . . . 
Viele Briefe trägt die Feldpost hinaus, Lasten der Sehnsucht und Liebe. 
Denn wie Erwachen ging es auch durch die Herzen. Neben dem glühenden 
Gefühl zum Vaterlande hob auch die andere Liebe, die zu den Frauen und 
Familien, das Haupt höher empor, wuchs in dem Ernst dieser Trennung. 
Was klein und unedel war. versank, die Schatten des Alltags verblaßten und 
stoben davon. Auf alle Dinge warf der Krieg ein neues Licht, ureinfach ist 
das Leben wieder geworden. Alle wissenschaftlichen und künstlerischen Fragen 
sind beiseite geschoben, das Schwert allein entscheidet jetzt. Wie vor Jahr- 
Hunderten und Jahrtausenden ziehen die Männer an die Grenzen, den Feind 
zu schlagen, hinter ihnen aber stehen die Heere der Frauen, zu helfender und 
pflegender Liebe bereit. 
Ein altes Mütterchen trippelt in die Schreibstube, atemlos, ein großes 
Paket in der Hand. Sie will es ihrem Sohne ins Feld schicken. Aber es 
sei nicht richtig verpackt. Ein oft gebrauchter brauner Papierumschlag umhüllt 
den Karton. Sie setzt das unförmige Paket auf den Tisch — „bitte" — 
sagen ihre alten Augen, und blicken dankbar, als das Schreibfräulein sich ihrer 
Hilflosigkeit erbarmt. Ein neues Papier und Bindfaden, zweimal verpackt 
das Ganze und auf jeden Umschlag eine Adresse, weil das Etappen-Kommando 
die erste Hülle ablöst. Ja, nun wird das Paket sicher ankommen. — Aber 
dann fliegt Trauer über das Gesicht der Frau: Ob sie den Sohn wohl noch 
einmal wiedersehen wird? Sie kann ja sterben, ehe er zurückkommt. Glaubt 
das Fräulein, daß der Krieg wirklich zwanzig Jahre dauern werde, wie die 
Engländer sagen? 
„Nein, nicht wahr, nein? Das ist gut —" und dankend wendet sie sich 
zur Tür. Ein Lächeln in den Zügen, als habe sie ein festes Versprechen 
erhalten, daß sie den Sohn wiedersehe. Keinen Augenblick kommt ihr der 
Gedanke, daß ihr Kind fallen könnte. 
Und was diese Mutier denkt, das spricht eine junge Frau aus, die mit 
einer anderen von ihrem Manne spricht: „Er muß wiederkommen!" — Mit 
leiser Stimme sagt sie das, aber mit fast leidenschaftlichem Ausdruck. Sie 
erwartet ein Kind. Das darf nicht vaterlos werden. Dem Sieger wird sie 
es in die Arme legen. Und ihr Glaube ist so fest, so ganz ein Teil ihres 
Selbst geworden, daß die Freundin fühlt, die Frau wird sterben, wenn dieser
	        
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