Volltext: Mit Herz und Hand fürs Vaterland!

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hält. Ein Schrapnellwölkchen hat sich neben dem kühnen Vogel vor die weiße 
Wolkenwand gesetzt, und ein leises Schaukeln der sonst ruhigen Flügel durchzittert 
ihn. Aber schon strebt er wieder dem Lichte zu, das dort im Westen goldig 
durch die Wolkenbänke hindurchfließt. 
„Aha, dort, dort!" ruft es jetzt. Ueber dem Mooswald scheint einer 
unserer Flieger aufzusteigen, in raschem Bogen kommt er heran und zeigt sick 
wiederum als — ein Franzose. Eine ungeheure Spannung bemächtigt sich 
unser. Den müssen sie 'runterkriegen, denkt jeder. Schon fliegt er in einer 
Höhe von 400 Meter über uuseru Köpfen dahin. Um die Stadt nicht zu ge- 
fährden, schweigt wohl jetzt das Feuer. Kaum aber ist er draußen, da schwimmt 
er schon wieder in Schrapnellwölkchen, die über ihm und unter ihm uud 
weit hinter ihm bleiben. Und da, da ist auch schon der dritte! Er bleibt vor- 
sichtig höher, unter heftigem Knall explodieren seine Bomben, dann steigt er 
rasch höher, indes hinter ihm drein die Kanonen von Breisach zu bellen an- 
fangen. 
Und am zweitletzten Sonntage vor Weihnachten sind sie zum dritten 
Mal gekommen. Aus den milchweißen Wölkchen lösen sie sich los und stoßen 
gierig herab. Das sind die wilden Kriegsvögel, die sich auf eine sonntags- 
friedliche Stadt stürzen, um ihr zu schaden ohne Zweck und Ziel. Mitten in 
die Altstadt, da, wo sich um eine alte Linde hochgiebelige Häuser traulich 
drängen, werfen sie ihre gefährlichen „Eier", die Dächer beschädigen und 
Telephondrähte zerreißen; in einen alten Park schlagen sie ein, daß Bäume 
zersplittern und Aeste durch die Luft wirbeln. Und in diesem Park, kilometer- 
weit entfernt von jeder militärischen Anstalt, steht das Kunstsammlungs- 
gebäude unserer Stadt! Sprengstücke fliegen in das Vinzentiushaus, das als 
Lazarett dient, in das Pfründnerhaus, ein Altersheim der Stadt . . . Und 
schnell, wie sie gekommen, entschwinden sie wieder — die Kriegsvögel, höher 
und höher steigend, bis man sie nicht mehr von dm Schrapnellwölkchen 
unterscheiden kann, die ihnen folgen. Von dem blauen Vogefenkamm drüben 
über der farbengesättigten Rheinebene her senden die Geschütze ihren dröhnenden 
Gruß . . Der Sonntagsfriede geht unter in Kanonendonner und Kriegsnot. 
8. 
Wo öas ^elökreuz steht. 
Y¥Tit unwiderstehlicher Gewalt drängt es sie alle hinaus, die daheim blieben, 
zum alten Feldkreuz hin. Ans dem tiefen Nachtdunkel tauchen sie in 
den fahlen Lichtschein zweier Laternen, die in den Aesten der knorrigen Eiche 
baumeln. Vom Kreuzholz schaut das gefurchte Antlitz des Erlöserbildes, des 
großen Erbarmers, aus die Menschen dort unten zu seinen Füßen. 
Seit hundert Jahren sieht er da hinab. Viele kamen einst in schwerer 
Zeit und knieten dort, wie heute. Die vorübergingen, sprachen von Schlachten 
und Siegen, wie heute. Dann ward's still am Kreuz. Lange, lange Friedens-
	        
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