Volltext: Mit Herz und Hand fürs Vaterland!

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ich nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß ich auch bei dieser Gelegenheit^ % 
die Bestätigung einer in der letzten Zeit wiederholt gemachten Beobachtung 
fand. Ich meine die Tatsache, daß man seit Ausbruch des Krieges sich in 
immer weiteren Kreisen darüber klar zu werden beginnt, daß der Begriff' der .y 
wahren „Toleranz" nur Takt, aber keinen Verzicht auf eigene UeberzengrmH 
verlangen kann. Man sieht immer mehr ein, was unser öffentliches Leben 
in Deutschland in politischer und konfessioneller Beziehung vor dem Kriege 
vergiftet hat; nicht die Gegensätze und Unterschiede, sondern die Art, wie die 
abweichende Anschauung vielfach zum Ausdruck gebracht worden. Vor jeder 
klar und offen zum Ausdruck gebrachten Ueberzengung hat auch der Gegner 
Achtung, während schwächliche Verleugnung der eigenen Anschauungen stets 
verdienter Verachtung anheimfällt. Aber zwei Dinge sind für die Zukunft zu 
beachten: man soll sich daran gewöhnen, bei dem Gegner bis zur Erbringung 
des Gegenbeweises immer den guten Glauben vorauszusetzen und ihm nicht 
grundlos Arglist oder Böswilligkeit zutrauen, was ebenso in den politischen 
Parteikämpfen, wie auch in der konfessionellen Polemik doch keine seltene 
Erscheinung zu sein pflegt. Sodann soll man seine eigene Ansicht nur so zum 
Ausdruck bringen und Kritik an der fremden Anschauung nur in der Weise 
üben, wie es ohne Verletzung des Mitmenschen geschehen kann. Also alle 
hämische Nörgelei vermeiden! Die Nadelstrichkritik verbittert. 
Bei der Unterhaltung mit österreichischen Soldaten erfuhren wir zu 
unserer großen Freude, daß die Cholera in Galizien fast vollständig ver- 
schwundeu sei. Dabei wurde die Bemerkung gemacht, daß Tierkohle sich als 
das wirksamste Heilmittel bei der Bekämpfung der Cholera erwiesen habe. 
Das stimmt vollkommen mit einer Notiz überein, die ich am Tage nach 
meiner Rückkehr aus Galizien in der Aerztlichen Rundschau fand. 
Die Fahrt bot viele künstlerisch wertvolle Vorwürfe für die Palette, die 
man mit dem Pinsel festgehalten wünschen möchte. Wir hatten einen Maler 
von Beruf unter uns, der ein über das andere Mal jammerte, nicht alles, 
was es zu sehen gab, seinem Skizzenbuch, wenigstens in flüchtigen Umrissen, 
einverleiben zu können. Ich erinnere mich besonders eines herrlichen Farben- 
effektes auf dem Bahnhofe in Sezakowa: eine Gruppe wildbärtiger russischer 
Gefangener mit ihren weißen Schafpelzen in der spärlichen Beleuchtung 
eines Kerzenstummels neugierig aus der Türe eines Güterwagens stierend. 
Weiter boten einen malerischen Anblick die uns begegnenden großen Proviant- 
kolonnen mit den kleinen galizischen Pferden. Ein buntscheckiges Bild gewährte 
die Bekleidung der verschiedenen Truppengattungen der österreichischen Armee 
in den Straßen von Krakau. Etwas ganz Eigenartiges in diesem Straßenbild 
ist der galizische Jude mit der Haarlocke und dem langen schwarzen Rock. 
Einen ergreifenden Eindruck machte auf mich, als wir auf dem Bahnhof in 
Krakau mehrere Juden im Wartesaal morgens, mit dem Gebetsmantel (einer 
farbigen umgehängten Decke) bekleidet, ihre rituellen Gebete, unbeirrt um 
Spott und Hohn, verrichten sahen. Dabei spielte der Gebetsriemen, im Talmud 
„Tephillin" genannt, eine besondere Rolle. Derselbe hat einen Kopfteil mit
	        
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