Volltext: Mit Herz und Hand fürs Vaterland!

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Ein Sonntag im 
Von Btto Griese. 
heftigem Granatregen und Jnfanteriegefecht hatte das Ersatzbataillon 
^seine Feuertaufe ehrenvoll bestanden — ehrenvoll, denn die gestellte Auf- 
gäbe war glücklich und erfolgreich gelöst. Aber auch ziemlich Verluste mußten 
wir buchen. Was Wunder, wenn uns der Ernst dieses Kriegsbildes die Seele 
erzittern und in uns Empfindungen wach werden ließ, die sonst nur den 
beschleichen, der im Schatten des Todes seine Rechnung mit dem Herrn über 
Leben und Tod begleicht. 
Nach anstrengenden Märschen und ruhelosen Nächten sollte das Bataillon 
einige Tage der Ruhe Pflegen, dank der umsichtigen Führung unserer Division. 
Und so rückten wir in gehobener Stimmung auf das Gehöft in B. in Scheunen- 
quartier. Samstag war's, ein Marientag im sonnigsten Lichte, und frühzeitig, 
weit früher als in Friedenszeiten, nahm uns der wohltuende Schlaf in seine 
Arme, um uns reichlich für die ausgestandenen Strapazen zu entschädigen . . . 
Am wolkenlosen Himmel zieht Frau Sonne auf, die schon herbstlich an- 
gehauchte Natur im majestätisch schönen Morgenrot begrüßend. Morgenrot — 
für manchen Kameraden von uns in seiner tragischen Bedeutung! Sonntag 
ist's, Bettag. Wie von einem innern, unwiderstehlichen Pflichtbewußtsein er- 
faßt, erhebt sich srühzeitg „ohne Wecker" fast die ganze müde Kriegerschar, 
sammelt sich um ihre Führer, und geht den 3 Kilometer weiten Marsch zur 
Kirche nach S. Da uns die Räumlichkeiten des Gotteshauses als ziemlich 
beschränkt bekannt sind, sichern wir uns schon eine Stunde vor Beginn der 
heiligen Handlung den Platz. In feierlicher Stille und Einkehr in uns selber 
erwarten wir den französischen Pfarrer, der uns bittet, zur stillen heiligen 
Messe deutsche Kirchenlieder zu singen — eine Bitte, die unserem eigenen 
Wunsche zuvorkam. Ein lieber Bekannter, Stabsarzt Dr. E., bestellt mich 
zum Leiter der Andacht, und alsbald durchbraust der schwere Gesang der im 
besten Alter stehenden Männer in dem Liede „Hier liegt vor deiner Majestät" 
wuchtig die einfachen niedrigen Hallen des Dorfkirchleins. Wie einen das 
packte! 
Hallten — hier wohl zum ersten Male in deutscher Sprache — die 
goldenen Worte dieses schönen Kirchenliedes wieder in den Herzen dieser 
frommen Schar, so war erst recht die zu Herzen gehende Ansprache des Priesters 
geeignet, uns mit ernsten Gedanken, aber auch mit beruhigenden und erheben- 
den Empfindungen zu erfüllen. Er gemahnte uns, daß außer den soldatischen 
Eigenschaften auch das Gebet der beste, sicherste Begleiter im Bereiche der 
Kugel sei, und daß erst recht unsere Gottesmutter Maria eine wahre Be- 
schützerin in Todesgefahr sei, wenn sie darum angegangen werde. Der feierliche 
Ernst des Augenblicks hatte den Gottesmann, der seit 25 Jahren nicht mehr die 
deutsche Sprache gebraucht hatte, zu einem wirksamen und ausgezeichneten 
Dolmetsch seiner tiefen Empfindungen gemacht, die in uns gewaltig und nach-
	        
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