Volltext: Mit Herz und Hand fürs Vaterland!

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marschiert, als wir an der Wache ankamen. Diese hatte es sich an einem 
großen Feuer gemütlich gemacht. Kaum war ich mit den beiden Gefangenen 
in den Kreis getreten, da sprang einer von ihnen auf die Seite und man 
hörte ein lautes Schluchzen. Er hatte seinen Bruder, der verwundet war, 
gefunden. Dank der Fürsorge und aufopfernden Tätigkeit unserer braven 
Soldaten, die gleichfalls wie meine Kameraden und ich, die ganze Nacht das 
Schlachtfeld nach Verwundeten absuchten, war es gelungen, ihn zu retten, und 
nun waren beide Brüder in sicherer Obhut. Wie Gott doch manches fügt! 
Unwillkürlich gedachte ich bei dieser Szene meines Bruders, der ebenfalls in 
meiner Armee kämpfte, wenn auch nickt in meinem Regiment. Ob er noch 
unter den Lebenden weilt? Vielleicht hat ihn schon ein feindliches Geschoß erreicht. 
Wir teilten, so gut es ging, das Wenige, was wir an Eßwaren besaßen, 
mit den gefangenen Franzosen, und der Inhalt unserer Feldflasche erquickte 
beide Teile. So ging die Nacht auch ohne Schlaf vorüber. Hatten wir doch 
alle das Bewußtsein, unsere Pflicht getan zn haben, unsere Pflicht gegenüber 
dem Vaterlaude — und unsere Pflicht gegenüber unserem Nächsten, auch wenn 
er jetzt unser Feind war. 
Der Morgen brach an. Die Sonne sandte ihre ersten Strahlen hernieder. 
Jetzt erst trat uns der Schrecken der Schlacht so recht vor Augen. Der Boden 
war aufgewühlt durch geplatzte Granaten; tote Pferde, Wagen, zerschossene 
Kanonen und vieles andere bildete ein wüstes Durcheinander. Haufenweise 
bedeckten tote französische Soldaten das weite Feld. Aber auch unsere Reihen 
hatten sich gelichtet. Mancher junge und lebenslustige Kamerad mußte in den 
Staub sinken. Noch sehe ich die gebrochenen Augen so vieler deutscher Lands- 
leute. Ehrlich und tapfer mit dem Siegesbewußtsein haben auch sie gekämpft, 
und dennoch sollte ihnen die Siegesfreude nicht beschieden sein. Schweigend 
ziehen wir in Marschkolonnen an ihnen vorüber. Jeder verrichtet sein stilles 
Gebet. Wir mußten sie liegen lassen, denn unsere Aufgabe war es, dem Feinde 
immer auf der Ferse zu bleiben und ihm keine Ruhe zu lassen. Das Begraben 
unserer Toten besorgt die rückwärts liegende Etappentruppe. 
Immer weiter geht's. Der ganze Marschweg ist mit französischen Be- 
kleidnngs- und Ausrüstungsstücken bedeckt. Wagen und sonstige Geräte zeigen 
uns an, daß der Feind Hals über Kopf im Rückzug begriffen ist. Rechts 
neben uns liegt eine Waldlichtung. Was uns bislang an Schrecklichem zu 
sehen erspart geblieben war, hier konnte auch das härteste Gemüt sich des Mit- 
leids nicht erwehren. Hier sahen wir die Arbeit unserer vorzüglichen Artillerie. 
Ein grausames, und doch auch wieder beruhigendes, die Zuversicht auf unsere 
Waffen stärkendes Bild. Zwei französische Artillerieregimenter waren mit 
Mann und Troß buchstäblich zusammengeschossen. Reiter lagen neben ihren 
Pferden, _ Bedienungsmannschaften saßen noch auf ihren Protzen — alles tot. 
Ihre bleichen Gesichter schauten uns an, als ob sie noch lebten und fragen 
wollten: Weshalb führten wir Krieg? 
Wir ziehen weiter. Vor uns her liefen herrenlos zahlreiche gesattelte 
Pferde hernm. Wie viele stolze Reiter mögen sie gestern noch mit Schmeichel-
	        
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