Volltext: Mit Herz und Hand fürs Vaterland!

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„Die französische Stadt, wo das Hauptquartier seinen Sitz hat, ist in 
ihrer vornehmen Ruhe ein Klein-Berlin geworden, wo sich das ganze Leben 
Klein-Berlins abspielt. Aber es ist eine kleine Welt, die vom tiefsten Ernste, 
von unerschütterlichem Willen, von einem Eifer durchdrungen ist, der nichts von 
dem häßlichen Zuge eines Eroberungskrieges an sich hat, und nie habe ich 
deutlicher als hier empfunden, daß die Deutschen nach Frankreich marschiert 
sind, um Deutschland zu erobern. 
„Wenn er nicht gerade abwesend ist, wohnt der Kaiser den Beratungen 
des Geueralstabes fast immer bei, ohne aber seine persönliche Ansicht irgendwie 
durchsetzen zu wollen. Er nimmt an den Beratungen wie alle anderen Generale 
teil, ohne entscheidenden Einfluß zu beanspruchen, nicht einmal in solchen 
Fragen, wo er besondere Kompetenz besitzt, wie denn Wilhelm II. bekanntlich 
ein ausgezeichneter Kenner der Taktik ist. Als letzthin in einer Sitzung des 
Großen Generalstabes ein rein taktisches Problem erörtert und gegen die 
Ansicht des Kaisers gelöst wurde, sagte er einfach: »Ich bin anderer Ansicht, 
aber Taktik ist Meinungssache.« Sehr häufig begibt der Kaiser sich zu den 
Truppen erster Linie, und das sind für ihn Tage und Nächte voll Entbehrung, 
denn er nimmt nichts mit sich und reist wie jeder einfache General." 
Sven Hedin erzählte von seinen im deutschen Hauptquartier gewonnenen 
Eindrücken über den Kaiser: „Ich hatte das Glück, ihn in früheren Jahren 
kennen zu lernen. Er hat sich nicht verändert, hat nichts von seiner Frische 
und Beweglichkeit eingebüßt. Dabei ist er — Sie können es fast wörtlich 
nehmen — jeden Tag 24Stunden beschäftigt. Alles muß ihm gesagt und 
mitgeteilt werden und wird von ihm mitbearbeitet. Ich habe mich oft gefragt, 
wie der Kaiser das körperlich und geistig ertragen könne. Die Antwort glaube 
ich gefunden zu haben. Es ist sein reines Gewissen, daß er vor Gott, 
der Mitwelt und der Nachwelt nicht nur schuldlos an diesem Weltbrand ist, 
sondern daß er ihn zu verhüten das äußerste tat. Die germanische Sache 
konnte sich keinen besseren Vollbringer wünschen, als ihn das Schicksal ihr in 
der Person dieses Kaisers gewährte. Es ist, als sei er für diese Zeit geboren, 
denn wie er für den Frieden sein letztes eingesetzt, so jetzt für das Erringen 
des Sieges. Er fühlt, daß er die Verantwortung für die Gestaltung des 
deutschen Geschickes trägt. Danach ist heute all sein Empfinden, Denken und 
Handeln gerichtet." 
Von einem Gottesdienst im Felde, dem der Kaiser beiwohnte, erzählt der 
Sonderberichterstatter der Chicago Tribüne im deutschen Hauptquartier: „Dies 
ist das ernsteste Gesicht, das ich je gesehen habe, so dachte ich, wie der Kaiser 
in seinem Stuhl vor dem improvisierten Altar saß. Kein Schmerz lag in 
dem Ausdruck dieser Züge, eine so tiefe und erhabene Feierlichkeit, daß sie 
das Herz nicht einmal so zur Sympathie als zu einer Art heiliger Ehrfurcht 
drängte. Dieser Mann ist sich der schweren Rolle bewußt, die er in dem 
gegenwärtigen furchtbaren Drama spielt. Er sah nicht aus wie der Kriegs-
	        
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