Volltext: Mit Herz und Hand fürs Vaterland!

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Bei verschiedenen ernsten Anlässen, die ihn bewogen, seine ureigene Le- 
bensanfsassung auszusprechen und mahnende Ratschläge daranzuknüpfen, hat 
er gesagt: derjenige Punkt, auf den es nach seiner Ansicht für den Christen 
im täglichen Leben am meisten ankomme, sei, daß wir Persönlichkeiten werden. 
Das Ideal dessen, was man Persönlichkeit nennt, erblickt er in dem Gott- 
menschen, nnserm Heiland Jesus Christus. Darum richtete er einmal an seine 
jüngeren Söhne das feierlich ernste Bekenntnis: „Wenn ich auf meine per- 
sönlichen Erfahrungen zurückblicke, so kann ich euch nur versichern, und ihr 
werdet dieselbe Erfahrung machen: der Angel- und Drehpunkt unseres mensch- 
lichen Lebens, zumal aber eines verantwortungsvollen und arbeitsreichen 
Lebens — das ist mir klarer geworden von Jahr zu Jahr — liegt 
nur einzig und allein in der Stellung, die man zu seinem Herrn und Heiland 
einnimmt." 
Aus dieser festen Ueberzenguug schöpft der Kaiser das nie wankende 
Gottvertrauen, das ihn in den eigentlichen Schicksalsstunden seines 
Lebens beseelt und das ihn in seinen Ansprachen und Erlassen der verflossenen 
Kriegswochen Worte des Glaubens und des Gebetes finden ließ, die jedem 
Deutschen warm ans Herz griffen und in uns allen die Ueberzeuguug und 
das Grundgefühl befestigten, daß hier Herrscher und Volk, Kaiser und Reich 
ein untrennbares Ganzes bilden und einer für des anderen Sicherheit und 
Wohlfahrt mit Blut und Leben einsteht. 
Was den Kaiser nächst seiner persönlichen Umgebung in solch hoher 
Auffassung von seiner Stellung und seiner Verantwortung von Jugend auf 
befördert und erhalten hat, ist seine nie versagende, nie verzagende Liebe zur 
Arbeit. Schon als Knabe hat er sich daran gewöhnt, jede Stunde und 
jede Minute auszunützen, um sich auf seinen hohen Berus vorzubereiten. In 
einem Rückblick auf seine unablässig den Studien gewidmete, fast zu ernst- 
hafte Jugendzeit sagte er einmal in einer Rede auf die Provinz Hessen- 
Nassau, daß niemand sich klar darüber werden könne, „welche ungeheure 
Arbeitslast demjenigen aufgebürdet ist, der für 58 (heute 65) Millionen Deutsche 
verantwortlich ist. Jedenfalls bereue ich keinen Augenblick die mir ehemals 
schwer vorgekommenen Zeiten, und ich kann wohl sagen, daß die Arbeit und 
das Leben in der Arbeit mir zur zweiten Natur geworden ist." 
Nur durch diesen Fleiß, den keine noch so harte und herbe Mühe bleicht, 
konnte der Kaiser seinen nationalen Idealismus, der ihn seit seiner 
Thronbesteigung beseelte, durch Tat zur Wirklichkeit machen. „Es ist mein 
Grundsatz — so lautete sein hochgemutes Programm — überall, wo ich kann, 
neue Punkte zu finden, an denen wir einsetzen können, an denen in späteren 
Zeiten unsere Kinder und Enkel sich ausbauen und das zunutze machen können, 
was wir ihnen erworben haben." Wilhelm II. hatte nach seiner Thronbe- 
steignng die Wahl, sich vor den schier übermenschlich großen Vertretern einer 
gewaltig großen Zeit ehrerbietig und resigniert zu beugen und selbst der 
Vertreter eines Epigonenzeitalters zu werden oder die aus seinem hochge¬
	        
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