Volltext: Erläuterungen zur Gemeindeordnung

Allgemeine Gesichtspunkte. 219 
Die wesentlichste Ursache aber, weshalb die Gemeinden dem Bezirks-Armen— 
hause abhold sind, liegt in der allgemeinen Befürchtung, daß hiedurch die Armen— 
auslagen der Gemeinden beträchtlich erhöht werden würden. Der Landesausschuß 
war von dem Gedanken geleitet, daß die Errichtung der Bezirksarmenhäuser die 
Gemeinden mit keinen größeren Auslagen belasten dürfe und daß es Aufgabe der 
Vertretung des Armenbezirkes sein müsse, durch Sammlungen freiwilliger Beiträge 
und in anderer geeigneter Weise allmählich einen Fond zur Gründung, Errichtung 
und Erhaltung eines Bezirksarmenhauses zustande zu bringen. Dieser Gedanke 
wäre bei allgemeiner beifälliger Begrüßung allerdings einer Verkörperung fähig 
gewesen. Die kühle und ablehnende Aufnahme jedoch mußte zur Ueberzeugung 
bringen, daß von freiwilligen Beiträgen wirklich nicht der Grundbau der Bezirks— 
armenhäuser geführt werden könnte. 
Aus den gepflogenen Erhebungen ergab sich zur Evidenz, daß Oberösterreich 
kein Boden für Armenbezirke und Bezirksarmenhäuser sei, daß diese mit allgemeinem 
Mißtrauen und Unwillen als eine den Wünschen und Interessen der Gemeinden 
ferne stehenden Institution aufgenommen und sich kaum jemals mit dem oberöster— 
reichischen Gemeindeleben vollständig verwachsen würden. Kein Gesetz aber bedarf 
für eine ersprießliche Wirksamkeit mehr der Popularität als wie ein Armengesetz, 
das nothwendig aus den Wünschen und Bedürfnissen der Gesammtheit hervorgehen 
muß. Ein unpopuläres Armengesetz würde seines Zweckes nach beiden Richtungen, 
insbesondere aber in Bezug auf die Armen verfehlen; denn das Schicksal der Armen 
muß nothwendig verschlimmert werden, wenn es lediglich durch die kalten Ordon— 
nanzen eines aufgedrungenen Gesetzes bestimmt wird, wenn die Armenpflege 
nicht von dem Geiste der Willfährigkeit, von dem warmen, belebenden Hauche der 
Menschenliebe durchdrungen ist. 
Der angeregte Gedanke, durch Schaffung von Armenbezirken und Bezirks— 
armenhäusern die Armenpflege in Oberösterreich auf den richtigen Standpunkt zu 
erheben, mußte demnach fallen gelassen werden. — 
Wenn aber das ideale Ziel nicht erreicht werden konnte, so wurde gleichwohl 
die Bahn der Reformen mit sicherem und festem Fuße betreten; denn auch im 
beschränkten Umfange der Gemeinde finden sich die Bedingungen für wesentliche, 
sehr nützliche und popnläre Reformen. 
Das Land mußte einen Theil jener Auslagen übernehmen, die bei Bildung 
von Armenbezirken auf diese übertragen worden wären. 
Die meisten Gemeinden sind keine principiellen Gegner des Armenhauses selbst, 
und wenn sie auch die Idee des Bezirksarmenhauses verwerfen, so treten gleich— 
wohl viele Gemeinden mit voller Wärme für das Gemeindearmenhaus in die 
Schranken. Wenn das Gemeindearmenhaus mit seinen Leistungen auch nicht zum 
Bezirksarmenhause hinanreichen kann, so vermag es doch bei zweckmäßiger Ein— 
richtung und rationeller Leitung mit verhältnismäßig viel geringeren Auslagen 
ungemein wohlthätig und gemeinnützig zu wirken. Das Armenhaus aber ist die 
nothwendige Grundlage einer geordneten Armenpflege und zwar nicht bloß als ein 
Dictat, der Humanität, sondern auch als ein sicherer Prüfstein für die wirkliche
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.