Volltext: Erläuterungen zur Gemeindeordnung

Historische Rückblicke. 
durch sie auch nur elementare Zustände geschaffen werden. Erst durch die von 
Kaiser Josef II. im Jahre 1782 eingeführten Pfarrarmeninstitute erhielt die 
Armenpflege in Oesterreich einen systematisch gegliederten Organismus. 
Wohl konnten die Pfarrarmeninstitute die Mißstände der Armenpflege nicht 
vollständig beseitigen; sie waren jedoch den damaligen Zeitverhältnissen angepaßt 
und sie bewährten sich auch später als sehr gemeinnützig bis zur Activierung des 
Gemeindegesetzes vom Jahre 1849. Dieses Gesetz entkleidete die Pfarrgemeinden 
ihrer politischen Eigenschaft und übertrug die Pflicht der Armenversorgung auf die 
Ortsgemeinden. Hiedurch entstand zwischen den alten und neuen Armengemeinden 
ein anomales Verhältnis, welches die Statthalterei-Verordnung vom 15. October 
1850 vergebens zu regeln versuchte. Die Unzukömmlichkeit dieses Verhältnisses 
äußerte sich durch flagrante Zerwürfnisse in Bezug auf Vermögen, Competenz und 
die gesetzlich nicht mehr begrenzte Zuständigkeit zu einer bestimmten Pfarrgemeinde. 
Im Conflicte der beiden Armenbehörden stand der Arme oft hilflos und verlassen 
da. Das Armeninstitut wies ihn an die Gemeinde und diese an jenes, und bis 
endlich die höhere Behörde die Streitfrage durch einen Machtspruch — eine streng 
gesetzlich begründete Entscheidung war in vielen Fällen gar nicht möglich — gelöst 
hatte, konnte der Arme verdorben und gestorben sein. 
Noch greller traten die Unzukömmlichkeiten hervor nach Wirksamkeit der Ge— 
meindeordnung vom Jahre 1864, welche die Armenpflege in noch präciserer Form 
den Gemeinden übertrug und zudem für die Pfarrarmeninstitute und Gemeinden 
zwei verschiedene Instanzen schuf. Der Dualismus in der Armenpflege war hie— 
durch ganz unhaltbar geworden.— 
Die Einkünfte der Pfarrarmeninstitute waren auch für die sich steigernden 
Ansprüche an die Mittel der öffentlichen Armenpflege viel zu gering, in nahezu 
allen Gemeinden mußten die Armenauslagen größtentheils von den Ortsgemeinden 
gedeckt werden, und es mußte der Gesetzgebung als eine mit den Grundsätzen des 
modernen Gemeindewesens im grellsten Widerspruche stehende Anomalie exrscheinen, 
daß den Ortsgemeinden die Pflicht der Armenversorgung gesetzlich übertragen, jedoch 
das Verfügungsrecht auf das Armenvermögen und auf dessen gesetzliche Zuflüsse 
benommen war. 
Mit Gesetz vom 20. December 1869 wurden die Pfarrarmeninstitute 
aufgehoben. Die Erbschaft blieb den Armen, denn das vorbemerkte Gesetz über— 
wies das Vermögen der Pfarrarmeninstitute, einschließlich der gesetzlichen Zuflüsse, 
an die Gemeinden zur Verwendung für Zwecke der Armenpflege. 
Die Landesvertretung konnte die Aufhebung der Pfarrarmeninstitute nur 
als ersten Schritt zu einer allgemeinen Reorganisierung der öffentlichen Armen— 
pflege betrachten und es B— in derselben Session, in welcher 
das Gefsetz vom 20. December 1689 beschlossen worden war, den Auftrag, einen Gesetz— 
entwurf über öffentliche Armenpflege auszuarbeiten und dem Landtage vorzulegen. 
J Mehrfache Hindernisse verzögerten die Vorlage und erst in der Landtags— 
session 1880 war der Landesausschuß nach umfassenden Erhebungen in der Lage, 
dem Landtagsauftrage zu entsprechen. 
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