Volltext: Erläuterungen zur Gemeindeordnung

192 Polizeiliche Amtsgewalt in Handhabung der Dienstbotenordnuig. 
desselben Dienstgebers befindet. Letzterer ist aber berechtigt, bei längerer als 
14tägiger Dauer der Krankheit den Dienstboten aus dem Dienste zu entlassen. In 
diesem Falle muß der Dienstbote, wenn er vermögenslos ist, wie ein anderer in 
keinem Dienstverhältnisse stehender erkrankter Arme behandelt, somit vom Armen— 
rathe in einem Spitale oder in Privatpflege unter ärztlicher Behandlung unter— 
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ständig, so muß die Heimatgemeinde von der Dienstesentlassung und der Krank— 
heit des Dienstboten ungesäumt verständigt werden. Die gleiche Obsorge für den 
erkrankten und mittellosen Dienstboten gegen Regreß an den Dienstgeber hat ein— 
zutreten, wenn letzterer seiner Verpflichtung gegen den kranken Dienstboten nicht 
entspricht.— I 
Im Landtage wurde der Antrag eingebracht, es habe die Verpflichtung 
des Dienstherrn zur Fürsorge für den kranken Dienstboten nach 14tägiger 
Dauer der Krankheit jedenfalls zu erlöschen, wenn auch der Dienstbote 
des Dienstes nicht entlassen wird. Der Landesausschuß ist diesem Antrage 
mit folgenden Gründen entgegengetreten: 
In der Natur und dem Wesen des Dienstverhältnisses ist es gelegen, daß dem Dienst— 
boten, welcher gleichsam als ein Glied der Familie zu betrachten ist, von seinem Dienstgeber die 
Deckung aller nothwendigen Lebensbedürfnisse, somit auch Pflege und Heilung im Erkrankungs— 
falle zutheil werde, und daß diese Verpflichtung erst mit dem Ende des Dienstverhältnisses ihr 
Ende erreiche. Auf diesem Grundsatze beruht die ganze Dienstbotenordnung. Mit dem Wegfall 
dieses Grundsatzes würde auch der Dienstbotenordnung der natürliche Rechtsboden entzogen und 
ꝛs würde der Dienstbote zum Dienstgeber nur in das Verhältnis des Arbeiters zum Arbeitgeber 
treten. Nur die größere Verpflichtung des Dienstherrn gegenüber den Dienstboten gibt auch 
letzterem ein größeres Maß der Verpflichtung und indem der Dienstbote durch den Diensteintritt 
Jleichsam in den Familienverbänd des Dienstherrn aufgenommen wird, erwächst für ihn natur— 
zemäß die Verpflichtung größerer Unterordnung, hingegen aber auch das Recht auf Beschaffung 
aller nothwendigen Lebensbedürfnisse durch den Dienstherrn. Das Gesetz kann die Heimatgemeinde 
zur Verpflegung eines erkrankten Dienstboten insolange, als dieser in einem Dienstverbande steht, 
nicht verpflichten, ohne mit dem Fundamentalgrundsatze der Dienstbotenordnung in Widerspruch 
zu kommen.Erst mit dem Ausscheiden aus dem Dienstverbande kann die Verpflichtung des 
Dienstherrn erlöschen und an ihre Stelle die Verpflichtung der Gemeinde treten. Eine frühere 
Verpflichtung der Gemeinde würde auch unzweifelhaft das Armenbudget der Gemeinden wesent⸗ 
lich mehr belasten. Gegenwärtig scheuen viele Dienstgeber zurück, den erkrankten Dienstboten nach 
(4tägiger Dauer der Krankheit zu entlassen und sie tragen die Kosten der Verpflegung, wenn 
auch die Krankheit einen viel längeren Verlauf nimmt. Sollte jedoch die beantragte Aenderung 
des F 20 der Dienstbotenordnung zum Gesetze erhoben werden, dann würden sich nur wenige 
Dienstgeber finden, die bei einer mehr als 14tägigen Krankheitsdauer ihres Dienstboten nicht die 
Gemeinde in Anspruch nehmen. Die gegenwärtige Fassung des 8 20 enthält auch keine Härte 
gegen die Dienstboten. Der Dienstgeber, der einen Dienstboten bei einer über 14 Tage dauernden 
Krankheit entläßt, kann ihn ja nach überstandener Krankheit wieder aufnehmen, und er wird 
auch einem braven Dienstboten bei der Entlassung die Zusicherung der Wiederaufnahme geben. 
Der Landtag hat diese Gründe acceptiert und ist mit Beschluß vom 8. Oc— 
tober 1878 in eine Aenderung des 8 20 der Dienstbotenordnung nicht ein— 
gegangen. 
Auch bei Erkrankungen, deren Ursache ein chronisches Leiden ist, bleibt 
der Dienstgeber, in dessen Dienste die Spitalsbedürftigkeit eingetreten, verpflegs—
	        
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