Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

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Der erste Abschnitt 
haben würde, die Hunde, die treuen und klugen Freunde des Menschen, 
ganz besonders die Pudel. Rings an den Wänden sah man eine 
Gallerte von Hunden unter Glas und Rahmen, sechszehn an der Zahl, 
als er zuletzt noch aus München das Bild des berühmten Mentor 
erhalten, der ein Menschenleben gerettet und die Medaille verdient 
hatte. Der einzige ihm unentbehrliche Stubengenosse war der Pudel, 
der auf einem Bärenfell zu seinen Füßen lag; als der schöne große 
weiße an Altersschwäche gestorben war, kam ein brauner an seine Stelle^; 
der Pudel hieß „Utma" (Weltseele) als der lebendige Ausdruck der 
Lehre vom Brahm nach dem Oupnek'hat, welches aufgeschlagen auf dem 
Tische lag. — An der Wand hingen die Bildnisse von Descartes und 
Kant, der beiden ihm verehrungswürdigsten Philosophen der neuen 
Zeit, auch das von Matthias Claudius wegen eines pessimistischen 
Aufsatzes, der ihm theuer war. — Er konnte nicht oft und nachdrück 
lich genug wiederholen, daß das letzte Jahrhundert zwei wahre und 
ächte Genies erzeugt habe: Kant und Goethe. Goethes Oelbild hing 
über seinem Sofa, Kants Büste von Rauch stand auf seinem Schreib- 
pult; er hatte sie bei Rauch bestellen lassen mit der ausdrücklichen 
Hervorhebung, daß sie „für den wahren und ächten Thronerben Kants" 
bestimmt sei. 
Es fehlte noch ein Schmuck, der höchste: das Bild des Buddha! 
Endlich kam die Statuette an, in Paris gekauft, in Tibet gegossen, 
von Bronce, schwarz lackirt; sie wurde von diesem Ueberzug befreit, 
auf eine Marmorconsole gestellt, und hier thronte nun in der Ecke des 
Zimmers, glänzend wie Gold, der allerherrlichst Vollendete, „orthodox 
dargestellt mit dem berühmten sanften Lächeln". Seit dem 30. Oc- 
tober 1851 stand die Büste Kants auf dem Schreibpult, seit dem 
13. Mai 1856 die Statuette Buddhas auf der Console in der Ecke 
des Zimmers, welches nunmehr auch den Anspruch hatte, „die 
heiligen Hallen" zu heißen. Es gereichte dem Philosophen zu innig 
licher Befriedigung, daß sein Buddha hoffentlich tibetanischen und nicht 
chinesischen Ursprungs war, wie ein anderer, im Besitz eines reichen 
Engländers befindlicher, mit dem er den seinigen sorgfältig verglich. 
Aus Tibet, dem Reiche des Lamaismus! Wenn er seinen Pudel 
„Ätma" rief, vergegenwärtigte sich ihm der Pantheismus und das 
* Br. an Frauenstädt vom 9. Dec. 1849, 16. Oct. 1850 (Arthur Schopenhauer. 
Von ihm. Ueber ihn. S. 494, 504).
	        
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