Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

der Frankfurter Periode. 
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ihn zu kennen, eine Wüste. Wo er bemerkt wurde, galt er als ein 
Sonderling. Wo er genannt wurde, hieß es nicht: „Das ist 
Arthur Schopenhauer, der berühmte Verfasser der «Welt als Wille 
und Vorstellung»", sondern: „Das ist der Sohn der berühmten Johanna 
Schopenhauer". Während die Mutter mit der Gesammtausgabe ihrer 
Werke beschäftigt war, sah der Sohn die seinigen in die Nacht der 
Vergessenheit sinken. 
Werfen wir einen Blick auf sein äußeres Leben, um nicht wieder 
darauf zurückzukommen. Mit Ausnahme einer viertägigen Rheinreise, 
die bis Koblenz ging (August 1835), hat er seinen Wohnort nicht mehr 
verlassen, denn eine gelegentliche Fahrt nach Mainz oder eine nach 
Aschaffenburg (um das pompejanische Haus zu sehen) zählten nicht als 
Reisen. Es giebt verschiedene Arten menschlicher Narrheiten, welche uns 
die deutschen Satiren des sechszehnten Jahrhunderts sehr anschaulich 
geschildert haben; es giebt auch verschiedene Arten von Teufeln, die bei 
unseren Narrheiten die Hand im Spiel haben. Eine der modernsten 
Teufelarten ist nach Schopenhauers treffender Benennung „der Reise 
teufel". Dieser hat ihn während seiner letzten fünfundzwanzig Lebens 
jahre nicht mehr heimgesucht. Mit den Wanderjahren war es für 
immer zu Ende. 
Erst als er zweiundfünfzig geworden war (1840), schaffte er sich 
eigenes Mobiliar an und begann sich häuslich einzurichten bis auf die 
Mahlzeiten, die er stets im Gasthause nahm; er wohnte Parterre, um 
im Fall einer Feuersbrunst sich leichter retten zu können. Während der 
letzten siebzehn Lebensjahre (1843—1860) hatte er seine Wohnung am 
rechten Mainufer („Schöne Aussicht"), dem deutschen Ordenshaus in 
Sachsenhausen gegenüber, wo ein halbes Jahrtausend früher als Custos 
und Priester der Verfasser der deutschen Theologie gewohnt haben sollte. 
Dieses Gegenüber that ihm wohl, denn er sagte gern: „Buddha, der 
Frankforter und Ich". Er zog den „Frankforter" selbst dem Meister 
Eckart vor, den er übrigens erst spät kennen gelernt hat. Das deutsche 
Herrenhaus nannte er, weil es einst den Verfasser der deutschen Theo 
logie beherbergt hatte, „die heiligen Hallen". 
Sein Zimmer wußte er sich allmählich so auszuschmücken, daß 
sein Blick überall auf Gegenstände traf, die seine Gesinnungsart und 
Lehre verkündeten. Unter den thierischen Willenserscheinungen waren ihm 
die interessantesten und liebenswürdigsten, ohne welche das Menschen 
leben in seinen Augen viel von seinem Reiz und Werth eingebüßt
	        
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