Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

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Der erste Abschnitt 
darf. Du weißt, warum. Gott helfe dir uud sende dir Licht und 
Muth und Vertrauen in dein umdüstertes Gemüth." 1 
Noch stand es bei ihm keineswegs fest, daß er Berlin für immer 
verlassen haben wollte; die Mutter hatte schon den 2. Februar 1832 
zur Rückkehr gemahnt, weil man jetzt am Rhein der Ankunft „der 
asiatischen Hyäne" entgegensehe. Der Tod Hegels, der den 14. November 
1831 an der Cholera gestorben war, hätte für Schopenhauer wohl ein 
Beweggrund sein können, noch einmal seine Lehrthätigkeit zu versuchen. 
Indessen konnte er sich nicht dazu entschließen und kündigte für das 
Wintersemester 1831/32 zum letzten mal eine Vorlesung an, die er nicht 
hielt. Nunmehr gab er auch den Namen eines Docenten für immer 
auf und ging für die nächste Zeit, beinahe ein Jahr, nach Mannheim 
(Juli 1832 bis Juni 1833)? 
Nachdem er hier Ort und Gesellschaft zur Genüge kennen gelernt 
hatte, stellte er zwischen den beiden Städten, die er zuletzt bewohnt, 
eine gründliche Vergleichung an, wog ihre Vortheile und Nachtheile in 
einer langen Liste gegen einander ab, schriftlich und auf englisch, und 
kehrte im Juni 1833 nach Frankfurt zurück, um diesen Ort nicht wieder 
zu verlassen. Die dortigen Witterungsverhältnisse behagten ihm, und 
er fand A. v. Humboldts Ausspruch gerechtfertigt, daß in Ansehung des 
Klimas sich Frankfurt zu Berlin verhalte, wie Mailand zu Frankfurt? 
3. Die Niederlassung in Frankfurt. 
Er hatte noch 27 Jahre vor sich. Die Geburtsstadt Goethes 
wurde Schopenhauers Eremitage. Hier lebte er, wie Descartes in 
Holland, nur waren die Grundstimmungen beider Philosophen sehr 
verschieden. Während jener seine Einsiedelei liebte und sich glücklich pries, 
in bevölkerten Städten völlig unbekannt, darum ungestört zu leben und 
dem Ruhm aus dem Wege zu gehen, verzehrte sich dieser im brennenden 
Durst nach Ruhm und sah in der Menschenwelt, die ihn umgab, ohne 
1 Ueber den Briefwechsel mit Mutter und Schwester vgl. Grisebach: Sch. 
Lebensgeschichte, S. 173 — 178, S. 180 flgd. — In einem späteren Briefe der 
Schwester vom Februar 1836 findet sich folgende Stelle: „Ich habe jahrelange 
Qual erduldet; denn mein Vermögensverlust hat alle edleren, schöneren Verhältnisse 
geknickt, verdorben, mein Leben verpfuscht, weil ich lebte, als wäre ich wohl 
habend, und doch nicht heirathen konnte aus Armuth und weil mich die Schein 
wohlhabenheit drückte wie eine Lüge". (Grisebach. S. 185.) — 2 Hier hatte er 
sich schon acht Jahre vorher einige Wochen aufgehalten (vom 7. Juli bis Ende 
August 1824.) — s Gwinner. S. 389 ff.
	        
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