Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

70 Die Berliner Periode und die letzten Wanderjahre. 
hielt er es für zweckmäßig, dieselbe ins Lateinische zu übertragen und 
in der Sammlung der «Scriptores ophthalmologici minores», die 
Justus Radius in Leipzig herausgab, einrücken zu lassen. Er schrieb 
deshalb an den Herausgeber (März 1829), und die Sache wurde so 
eingerichtet, daß die Schrift unter dem Titel «Theoria colormn 
physiologica eademque primaria» in dem dritten Bande der 
«•Scriptores» als dessen erstes Stück erschien (1830). 
In dem Briefe an Radius und in der Abhandlung selbst hatte 
Schopenhauer darauf hingewiesen, daß die Sensualisten, wie Locke und 
Coudillac, nicht im Stande gewesen wären, die Gesichtswahrnehmung 
zu erklären, da sie den Unterschied zwischen Eindruck und Wahrnehmung, 
zwischen Sensation und Anschauung nicht erkannt und daher beide für 
dasselbe gehalten hätten. Diesen Unterschied habe erst Kant entdeckt 
und dargethan, daher seine Philosophie sich zu der sensualistischen ver 
halte, wie die Analysis zu den vier Species. 
Nicht ohne Bewunderung sehen wir diesen Mann vollkommen ge 
rüstet, in derselben Zeit ein spanisches Buch ins Deutsche, die 
schwierigsten und tiefsinnigsten Werke der deutschen Philosophie ins 
Englische und eine seiner eigenen Schriften, welche keineswegs zu den 
leichteren gehörte, ins Lateinische zu übersetzen. Zu der Kenntniß 
dieser vier Sprachen kam bei ihm noch die der französischen in gleicher 
Vollkommenheit, dann die der griechischen und italienischen Sprache. 
Fünftes Capitel. 
Der erste Abschnitt der Frankfurter Periode. 
(1831—1841.) 
I. Die Uebersiedlung nach Frankfurt. 
1. Traum und Flucht. 
In der Neujahrsnacht von 1831 hatte Schopenhauer, den wir 
als einen traumgläubigen Philosophen noch werden kennen lernen, ein 
Traumgesicht, das er sich als eine bedeutungsvolle Warnung auslegte: 
er sah seinen Vater und einen früh verstorbenen Spielkameraden aus 
den Tagen seiner Hamburger Kindheit vor sich und glaubte, daß diese 
Erscheinung eine im neuen Jahr ihm bevorstehende Todesgefahr bedeute.
	        
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