Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

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Die Berliner Periode und 
on natural religion» ins Auge gefaßt, da man aus einer Seite von 
Hume mehr lernen könne, als aus sämmtlichen Werken von Schleier 
macher, Hegel und Herbart (1824). 
Angemessener aber und seiner würdiger war es, wenn er, der deutsche 
Philosoph, dem die englische Sprache beinahe zur zweiten Muttersprache 
geworden, den größten aller deutschen Philosophen ins Englische über 
setzte. Er war daher lebhaft überrascht und erfreut, als er in der 
«Foreign Review» einem Artikel über Damirous Geschichte der Philo 
sophie in Frankreich begegnete (Juli 1829), worin der Wunsch nach 
einer englischen Uebersetzung der Hauptwerke Kants ausgesprochen 
wurde. Der ungenannte Verfasser des Artikels war Francis Haywood 
in Liverpool. An diesen schrieb Schopenhauer und legte ihm, einleuchtend 
und wohlgeordnet, alle Gründe dar, aus denen er bereit sei, das ge 
wünschte Werk auszuführen: Deutschland habe während des letzten 
Jahrhunderts zwei Genies wahrhaft ersten Ranges hervorgebracht: 
Kant und Goethe; die vielgenannten Nachfolger Kants seien mit diesen 
nicht zu vergleichen, und der gegenwärtige Philosoph, der von sich 
reden mache, Hegel, «a mere swaggerer and charlatan». Die 
Deutschen seien unfähig, Kant zu verstehen und zu würdigen; die Eng 
länder dagegen wären es im Stande, denn sie seien die intelligenteste 
Nation in Europa; freilich sei das Verständniß Kants sehr schwierig, 
denn seine Meditationen wären die tiefsinnigsten, die je in eines 
Menschen Kopf gekommen. Nun habe er sein Leben metaphysischen 
Betrachtungen gewidmet und seit zehn Jahren als Lehrer der Logik 
und Metaphysik der Berliner Universität angehört, wie deren Lections- 
verzeichnisse ausweisen; der geniale Jean Paul habe sein Werk ein 
genial philosophisches, kühnes, vielseitiges Werk voll Scharfsinn und 
Tiefsinn genannt; und von allen Schriften über Kants Lehre, die sich 
auf tausend belaufen, habe der Theologe Baumgarten-Crusius in 
seiner christlichen Sittenlehre nur zwei hervorgehoben: Reinholds 
Briefe über die kantische Philosophie und die Kritik der letzteren von 
Schopenhauer? 
Man möge die Sache nicht fallen lassen, mahnte er in einem 
späteren Briefe an die Verleger der Zeitschrift, denn es könne ein 
Jahrhundert vergehen, bevor in einem und demselben Kopfe so viel 
kantische Philosophie und so viel Englisch zusammentreffen, wie in dem 
i Vgl. Gwinner. S. 343-378.
	        
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