Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

die letzten Wanderjahre. 
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zwanzig Jahre fortlebte, so hat ihm dieser Act einer heftigen und 
rohen Selbsthülfe 1200 Thaler gekostet! Als er endlich die officielle 
Todesnachricht empfangen hatte, schrieb er auf den Brief: «odlt anus, 
abit onus!» 1 
Hätte er sich in wohlgeordneten häuslichen Verhältnissen befunden, 
so würde eine solche Scene, wie die mit der Nähterin, unmöglich ge 
wesen sein; aber er wollte, gleich den Philosophen, die bei ihm hoch 
in Ansehen standen, wie Hobbes und Locke, Descartes und Kant, Hage 
stolz bleiben und pflegte weniger treffend als witzig zu sagen, daß die 
Ehemänner umgekehrte Papagenos wären: während dem Papageno in 
der Zauberflöte sich ein altes Weib blitzschnell in ein junges verwandle, 
ginge es in der Wirklichkeit den Ehemännern gerade umgekehrt. Das 
Gleichniß zeigt, wie er von der Ehe dachte. Er hat die Heirath, nicht 
die Weiber vermieden, die nach seinen eigenen Worten ihm viel zu 
schaffen gemacht haben: er hat sich seiner Hamburger Jugendsünden 
geschämt, in Dresden einen natürlichen Sohn gehabt, der früh gestorben 
ist, in Venedig eine Geliebte im Stich gelassen und in Berlin „in 
zarten Beziehungen zu einer dem Theater angehörenden Dame ge 
standen", die er noch in seinem Testamente bedacht hat? In seinen 
späteren Schriften erscheint er, wie es dem Pessimisten ziemt, als der 
ausgemachteste Misogyn. 
III. Litterarische Pläne und Arbeiten. 
1. Uebersetzungspläne. 
So sah sich unser Philosoph auf ein einsames, der Meditation 
und den litterarischen Beschäftigungen gewidmetes Leben angewiesen. 
Auch in dieser Hinsicht war die Berliner Periode bisher steril geblieben. 
Während seines letzten Aufenthaltes in Dresden hatte er den Plan 
gehabt, einige Schriften des englischen Philosophen David Hume und 
des italienischen Philosophen Giordano Bruno ins Deutsche zu über 
setzen; bei diesem hatte er die Schrift «Deila causa, principio ed 
uno», bei jenem «The natural history of religion» und «Dialogues 
1 Vgl. Gwinner. S. 304—330. — Die oben erwähnte Scene hatte den 
12. August 1821 stattgefunden, das endgültige Urtheil wurde den 4. Mai 1826 
gefällt. Während seiner Abwesenheit war sogar sein Vermögen gerichtlich mit Be 
schlag belegt worden. Vgl. Grisebach: Sch. Lebensgeschichte. S. 152ff. S. 162—165. 
— 2 Gwinner. @. 53ff. — „Arthur Schopenhauer. Von ihm. Ueber ihn." Von 
Lindner und Frauenstädt. S. 62-64. Grisebach VI. S. 213.
	        
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