3. Der Rückblick.
Diese kleinen Erquickungen abgerechnet, vermochten die letzten acht
Jahre dem vierzigjährigen Manne, wenn er am 22. Februar 1828
darauf zurückblickte, keine zufriedenen Eindrücke zu bieten. Wo er hin
sah, traten ihm Mängel und Verluste, Mißerfolge und hoffnungslose
Aussichten entgegen. Seine persönlichen Familienverhältnisse, die beiden
einzigen, die er auf der Welt hatte, waren gründlich zerrüttet; seine
Lehrthätigkeit hatte aufgehört, bevor sie eigentlich erst angefangen;
die Hälfte jenes wiedererkämpften Vermögens war durch schlechte An
lagen, die ihm ein guter Freund gerathen, verloren gegangen (1827);
die Absichten auf ein akademisches Lehramt, die sich erst nach Würz
burg, dann nach Heidelberg gerichtet hatten, waren vergeblich gewesen,
die letztere wurde durch die Antwort, die ihm Kreuzer im März 1828
ertheilte, völlig niedergeschlagen/
Alle seine Hoffnungen ruhten auf seinem Hauptwerke. Als er sich
jetzt nach dem Erfolg desselben erkundigte, mußte er zehn Jahre nach
der Herausgabe erfahren, daß eine „bedeutende Anzahl" Exemplare
maculirt worden, der Absatz stets „sehr unbedeutend" gewesen und noch
150 Exemplare vorräthig seien (29. November 1828). Von diesem
geringen Vorrath wurden im Jahre 1830 noch 97 Exemplare ein
gestampft, und von den 53 übrig gebliebenen waren dreizehn Jahre
später (1843) „noch genug für die Nachfrage vorhanden"? So stand
es mit dem Erfolg seines Hauptwerks nach einem Vierteljahrhundert!
In die Mitte aller dieser Widerwärtigkeiten war noch ein höchst
unwürdiger, ärgerlicher und nachtheiliger Rechtshandel gefallen. Eine
bejahrte Nähterin, die im Vorranm seiner Wohnung sich unbefugter
Weise aufgehalten und auf sein Verbot nickt gewichen war, hatte er
unter gröblichen Schimpfreden hinausgeworfen, wobei die Frau zu
Boden gefallen war und einigen Schaden erlitten hatte. Ihre Klage
war in erster Instanz abgewiesen worden. Dann aber durchlief der
Proceß, in welchem von beiden Seiten appellirt wurde, alle Instanzen
und endete damit, daß Schopenhauer zur Aliment^Wtz. der Klägerin
verurtheilt und dieses Urtheil endgültig bestätigt wurde. Er mußte
der Klägerin 15 Thaler vierteljährlich zahlen, und da dieselbe noch
1 Ueber seinen Wunsch nach einer akademischen Wirksamkeit in Würzburg
vgl. Schopenhauers Brief an Thiersch vom 4. September 1827. (Schemann, Schopen
hauer-Briefe. S. 152-154.) - 2 Arnold Brockhaus II. S. 360-362.