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Die Berliner Periode und
Die erste Beurtheilung war im „Hermes" erschienen, anonym, von der
Hand des Philosophen Herbart in Königsberg, der sie aus den Wunsch
des Verlegers geschrieben. Hier war Schopenhauer als ein ausge
zeichneter, geistreicher Schriftsteller gewürdigt und mit Größen, wie
Lichtenberg und Lessing, verglichen worden; unter den nachkantischen
Philosophen sei Reinhold der erste, Fichte der tiefsinnigste, Schelling
der umfassendste, Schopenhauer, der in diese Reihe gehöre, der klarste,
gewandteste und geselligste, was an dieser Stelle so viel sagen wollte,
als der geistreichste und unterhaltendste.
Seit dem Erscheinen des Werks waren im Laufe der ersten fünf
Jahre diese drei Stimmen wohl die einzig bemerkenswerthen, die sich
darüber haben vernehmen lassen: Herbart, Rätze und Beneke; die beiden
letzten waren Neulinge, von denen der erstere unbekannt geblieben. Wären
ihre Stimmen beachtet worden, so hätte die Begierde, ein Buch von so
seltenen Eigenschaften kennen zu lernen, wohl in weitere Kreise dringen
müssen. Sv aber blieb es fast ein Menschenalter hindurch so gut wie
unbemerkt und ungelesen.
II. Die letzten Wanderjahre und die Rückkehr.
1. Die zweite italienische Reise. München und Dresden.
Ende 1822 begab sich Schopenhauer wiederum auf Reisen und
kehrte erst nach einer dreijährigen Abwesenheit im Mai 1825 zurück.
Sein Weg ging diesmal durch die Schweiz nach Mailand und
Venedig, er brachte den Winter in Florenz, das Frühjahr in Rom
zu und war Mitte Mai 1823 schon auf der Rückreise in Trient; sein
nächstes Aufenthaltsziel war München, wo er ein volles Jahr bis
Ende Juni 1824 verweilte, nachdem er kurz vorher noch eine Bade
kur in Gastein durchgemacht hatte. Er hatte sich in München elend
gefühlt, ohne allen geselligen Verkehr gelebt, von Krankheit heimgesucht,
schwer besorgt wegen seines Gehörs, denn er war auf dem rechten Ohr
fast ganz taub geworden. Nachdem er sich einige Zeit in süddeutschen
Städten, wie Stuttgart, Heidelberg, Mannheim, aufgehalten hatte, ging
er im September 1824 noch einmal zu längerem Aufenthalt in sein
geliebtes Dresden und kehrte erst im Mai des folgenden Jahres in
das ihm verhaßte Berlin zurück.
mag. Mit Rücksicht auf die Schopenhauersche Schrift: „Die Welt als Wille und
Vorstellung". (Lpz. 1820.)