die letzten Wanderjahre.
63
Scharfblick, einen solchen Reichthum geistvoller Gedanken, eine so seltene
Gabe deutlicher und anschaulicher Darstellung; es enthält in der Wider
legung fremder und in der Aufstellung eigener Ansichten so viele Helle
und erhellende Bemerkungen über alle Theile der Philosophie, daß
(Rec. muß auch diesen Panegyrikns elegisch schließen) wir die fast
grenzenlose, fast an Wahnsinn streifende Verirrungen, zu welchen den
Verfasser die folgerechte Durchführung weniger falscher Sätze geführt
hat, nicht genug beklagen können". Die Aesthetik wurde als der vorzüg
lichste Theil hervorgehoben, der einen großen Reichthum tiefer und
geistreicher Bemerkungen über einzelne Gegenstände der Kunstlehre ent
halte, Bemerkungen, welche der Beherzigung und des Studiums in
ausgezeichnetem Maße würdig seien.
Die Recension schloß mit einem gerechten Tadel, der die Person
traf. Schopenhauer hatte von Fichtes Lehre als von „Windbeuteleien",
von der nachkantischen Philosophie als von Possenspielen geredet, die
man über dem Grabe Kants aufführe. Beneke, obwohl er sich selbst
im Gegensatze zu der angefeindeten Richtung fühlte, war über eine
solche Art der Schmähung entrüstet und sagte mit vollem Recht: „Wir
halten diese Sprache für eines Philosophen höchst unwürdig"?
Wir können nicht umhin, hierbei zu bemerken, daß Fichte schon
fünf Jahre todt war, bevor es Schopenhauer für gut fand, ihn öffent
lich zu schmähen. Er hat es später mit Hegel genau ebenso gehalten. —
Seine argwöhnischen Aufregungen grenzten allemal an Manie und
waren unheilbar. Daß Beneke keineswegs der neidische Nebenbuhler
und Streber war, für den er ihn hielt, hat er nie glauben wollen,
auch nicht, als demselben kurze Zeit nach jenem Zwiste die venia legendi
sauf Hegels Wunsch) durch den Minister Altenstein entzogen wurde;
und noch dreißig Jahre später, als Beneke ein unglückliches und frei
williges Ende genommen hatte, beharrte er bei seiner Meinung.
In einem Schriftchen, welches Rätze, ein Gymnasiallehrer in
Zittau, verfaßt und Beneke in jener Recension mitbeurtheilt hatte,
wurde die Bedeutung der Ethik Schopenhauers hervorgehoben und in
ihrem pessimistischen Charakter bekämpft. Noch sei wohl nirgends eine
phantastische Heiligkeit so blendend, scharfsinnig und philosophisch
dargestellt worden, als in diesem Werk, das von allen wissenschaftlich
Gebildeten studirt zu werden verdiene?
i Ebendas. S, 389, S. 403. — - Joh. Gottl. Rätze: Was der Wille des
Menschen in moralischen und göttlichen Dingen vermag, und was er nicht ver-