Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

die letzten Wanderjahre. 
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Scharfblick, einen solchen Reichthum geistvoller Gedanken, eine so seltene 
Gabe deutlicher und anschaulicher Darstellung; es enthält in der Wider 
legung fremder und in der Aufstellung eigener Ansichten so viele Helle 
und erhellende Bemerkungen über alle Theile der Philosophie, daß 
(Rec. muß auch diesen Panegyrikns elegisch schließen) wir die fast 
grenzenlose, fast an Wahnsinn streifende Verirrungen, zu welchen den 
Verfasser die folgerechte Durchführung weniger falscher Sätze geführt 
hat, nicht genug beklagen können". Die Aesthetik wurde als der vorzüg 
lichste Theil hervorgehoben, der einen großen Reichthum tiefer und 
geistreicher Bemerkungen über einzelne Gegenstände der Kunstlehre ent 
halte, Bemerkungen, welche der Beherzigung und des Studiums in 
ausgezeichnetem Maße würdig seien. 
Die Recension schloß mit einem gerechten Tadel, der die Person 
traf. Schopenhauer hatte von Fichtes Lehre als von „Windbeuteleien", 
von der nachkantischen Philosophie als von Possenspielen geredet, die 
man über dem Grabe Kants aufführe. Beneke, obwohl er sich selbst 
im Gegensatze zu der angefeindeten Richtung fühlte, war über eine 
solche Art der Schmähung entrüstet und sagte mit vollem Recht: „Wir 
halten diese Sprache für eines Philosophen höchst unwürdig"? 
Wir können nicht umhin, hierbei zu bemerken, daß Fichte schon 
fünf Jahre todt war, bevor es Schopenhauer für gut fand, ihn öffent 
lich zu schmähen. Er hat es später mit Hegel genau ebenso gehalten. — 
Seine argwöhnischen Aufregungen grenzten allemal an Manie und 
waren unheilbar. Daß Beneke keineswegs der neidische Nebenbuhler 
und Streber war, für den er ihn hielt, hat er nie glauben wollen, 
auch nicht, als demselben kurze Zeit nach jenem Zwiste die venia legendi 
sauf Hegels Wunsch) durch den Minister Altenstein entzogen wurde; 
und noch dreißig Jahre später, als Beneke ein unglückliches und frei 
williges Ende genommen hatte, beharrte er bei seiner Meinung. 
In einem Schriftchen, welches Rätze, ein Gymnasiallehrer in 
Zittau, verfaßt und Beneke in jener Recension mitbeurtheilt hatte, 
wurde die Bedeutung der Ethik Schopenhauers hervorgehoben und in 
ihrem pessimistischen Charakter bekämpft. Noch sei wohl nirgends eine 
phantastische Heiligkeit so blendend, scharfsinnig und philosophisch 
dargestellt worden, als in diesem Werk, das von allen wissenschaftlich 
Gebildeten studirt zu werden verdiene? 
i Ebendas. S, 389, S. 403. — - Joh. Gottl. Rätze: Was der Wille des 
Menschen in moralischen und göttlichen Dingen vermag, und was er nicht ver-
	        
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