Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

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Die Berliner Periode und 
2. Die Händel mit Beneke. 
Gleichzeitig mit oder unmittelbar nach ihm habilitirte sich der junge 
Philosoph Ed. Beneke, der nachmals durch seinen Standpunkt, seine 
Schriften und Schicksale die Aufmerksamkeit vieler erregt hat; er be 
suchte die Vorlesung seines zehn Jahre älteren Collegen und schrieb 
über dessen Werk eine ausführliche Recension in die jenaische Litteratur 
zeitung, wobei er sich die tadelnswerthe Freiheit nahm, in der Dar 
stellung der Lehre Sätze, welche keineswegs der wörtliche Ausdruck des 
Verfassers waren, mit Anführungszeichen zu versehen? Dieser, der 
mit vollem Rechte auf seine eigene Ausdrucksweise das größte Gewicht 
legte und über ein solches Verfahren höchst entrüstet war, witterte, 
worin er ganz Unrecht hatte, dahinter die bösen Absichten eines 
neidischen Rebenbuhlers und schrieb sogleich an Eichstädt, den Redacteur 
der Litteraturzeitung, einen so groben und beleidigenden Brief, daß er 
denselben zurückerhielt. Der Verfasser der Recension hieß darin 
„Ihr nobler Recensentenjunge". Nun ließ er auf eigene Kosten im 
Jntelligenzblatt der Zeitung eine Gegenerklärung: „Nothwendige Rüge 
erlogener Citate" drucken, worin er das oben erwähnte Verfahren als 
„empörende Verfälschungen und verleumderische Lügen" bezeichnete 
(Februar 1821). 
An eine Fälschuug im schlimmen Sinne war nicht zu denken. 
Die Recension war durchaus in dem ruhigen und anständigen Tone 
einer objectiven Besprechung gehalten. Gleich im Eingänge wurde 
gesagt: „Das vorliegende Buch zeigt einen so großen philosophischen 
Wie sein Werk, theilen sich auch seine Vorlesungspapiere in vier Abschnitte 
(Erkenntnißlehre, Metaphysik der Natur, Metaphysik des Schönen und Metaphysik 
der Sitten) und umfassen nach Grisebachs Zählung 352 numerirte Bogen, die 
sich aus mehr als hundert Vorlesungsstunden vertheilen, so daß auf eine Stunde 
etwa 3,5 geschriebene Bogen kommen. (Grisebach: Sch. Lebensgeschichte, S. 143.) 
Wer erfahren hat, wie viel Material ein gehaltvoller, wohlgeordneter, 
didaktisch vorwärts schreitender Vortrag von 45 — 50 Minuten Dauer erfordert, 
wird leicht ermessen, daß eine sechsstündige Vorlesung, die sich durch ein ganzes 
Semester erstreckt, länger ist, als das Werk Schopenhauers, noch dazu in seiner 
ersten Gestalt. Für das folgende Semester hat Sch. dieselbe Vorlesung an 
gekündigt, aber die Stundenzahl vermindert. 
1 Jenaische Allg. Litteraturzeitung. (December 1820.) Num. 226—227. 
S. 377—405. Es ist nicht richtig, daß die Recension anonym war. Der Verfasser 
hatte mit den Initialen seines vollen Namens unterzeichnet, die Autorschaft war 
daher unverkennbar. (Beneke selbst in seiner Antwort auf die Sch. Rüge erklärt, 
daß er in dessen Vorlesungen nur zweimal hospitirt habe.)
	        
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