Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

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Die Berliner Periode und 
erwerbsfähige Laufbahn zu gründen, die natürlich keine andere als die 
der akademischen Lehrthätigkeit sein konnte. Ueber den Ort der Habi 
litation erbat er sich von Blumenbach in Göttingen und von Lichtenstein 
in Berlin briefliche Rathschläge und wühlte, nachdem er sie empfangen 
hatte, Berlin, wo Hegel seit dem Herbst 1818 mit großem Erfolge 
lehrte, und durch Solgers kürzlich erfolgten Tod eine Professur der 
Philosophie erledigt war. 
In einem an die philosophische Facultät gerichteten Schreiben, das 
er in Dresden am letzten Tage des Jahres 1819 abgefaßt hatte, be 
warb er sich um die venia legendi; unter Böckhs Dekanat hat er vor ver 
sammelter Facultät den 23. März 1820 seine Probevorlesung in deutscher 
Sprache über die vier Arten des Grundes gehalten und in dem nach 
folgenden Colloquium mit Hegel disputirt, wobei dieser (nach einer münd 
lichen und späteren Ueberlieferung Schopenhauers) sich eine Blöße gegeben 
haben soll, indem er die „animalischen" Functionen und Ursachen von 
den „organischen" nicht richtig zu unterscheiden gewußt habe. In 
seiner lateinischen Rede (deelarnatio in landein philosophiae adversus 
fastidia temporis), die als öffentlicher Act den Lehrvorträgen voran 
ging, brauchte er zur Bezeichnung der berühmten nachkantischen Philo 
sophen den Ausdruck „Sophisten"? 
Vierundzwanzig Semester hindurch hat Schopenhauer der Berliner 
Universität als Privatdocent der Philosophie dem Namen nach angehört, 
aber nur während eines einzigen Semesters gelesen. Im Frühjahr 
1820 begann seine Lehrthätigkeit: er las „über die gesammte Philo 
sophie oder die Lehre vom Wesen der Welt und vom menschlichen Geist", 
sechsmal wöchenllich in der Stunde von 4—5 und schloß noch vor dem 
Ende des Semesters? In den beiden folgenden Semestern wurde dieselbe 
Vorlesung fünfstündig angekündigt, aber sie kam nicht zu stände; ebenso 
ging es im Winter (1820/22) mit der zweistündigen Vorlesung über 
die Erkenntnißlehre. Für das Sommersemester 1822 hatte er wieder 
die sechsstündige Vorlesung über die gesammte Philosophie angekündigt, 
aber nun fehlten nicht bloß die Zuhörer, sondern auch der Docent, 
der seit dem 27. Mai 1822 auf Reisen war. Während der nächsten 
acht Semester (vom Winter 1822/23 bis Sommer 1826) fehlt sein 
1 Br. an Böckh vom 18. März 1820. (Schemann: Schopenhauer-Briefe, 
S. 116—117.) Gwinner. S. 266. Br. an Osann vom 9. August 1820. 
2 Gwinner. S. 293. Schopenhauer an Osann, Br. v. 9. Aug. 1820. Darnach 
hat Sch. in der zweiten Woche des August geschlossen. (Schemann. S. 123.)
	        
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