Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

Neue Werke und neue Wanderjahre. 
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im Goetheschen Hause einheimisch und Ottilie von Goethe, die Tochter 
und Frau des Hauses, ihre geliebteste Freundin. 
Nun drängte sich die Danziger Katastrophe zwischen die Geschwister. 
Adele bemühte sich vergeblich, den Bruder zur Nachgiebigkeit zu be 
wegen; er beharrte auf seinem Entschluß, und der Erfolg hat ihm 
Recht gegeben, aber ihre Bitten hatten zuletzt seinen Argwohn erregt 
und ihn glauben machen, daß man ihr aus Ländereien, die nicht zur 
Concursmasse gehörten, größere Deckungen versprochen habe, wenn sie 
dazu helfe, den Vergleich zu Stande zu bringen; er hat diesen Ver 
dacht nicht bloß gehegt, sondern auch merken lassen und dadurch die 
Gefühle der Schwester schwer verletzt. Ihr Brief vom 22. November 
1819 schloß mit den Worten: „Ich bin so wund, gedrückt und habe 
so verschiedene schmerzliche Losreißungen mit mir selbst in der Stille 
abzumachen, daß ich nichts weiter ertragen kann. Argwohn hat noch 
nie zu dem gehört, was ich erduldet; auch die leiseste Andeutung 
tritt scheidend zwischen uns. Ich habe deine Festigkeit, aber auch deinen 
Stolz, das vergiß nicht." Er muß in seiner Antwort von dem drohen 
den Bermögensverlust wohl in Ausdrücken der Verzweiflung gesprochen 
haben, denn sie schließt ihren nächsten Brief (den 9. December 1819) 
mit den Worten: „Endlich bleibt noch zu bemerken, daß ich als Mann 
mich nicht einmal vom Stuhl, viel weniger von einer Brücke stürzte, 
weil ich kein Geld hätte. Adio, es gehe dir gut, besser als mir!" 
Die Jugendgeschichte Schopenhauers endet mit seinen Familien 
zerwürfnissen: im Beginn ihres letzten Abschnittes war der Bruch mit 
der Mutter erfolgt, am Schlüsse desselben erfolgte der Bruch mit der 
Schwester. Das waren keine guten Vorzeichen für die nächste Lebens 
periode, nach deren Ablauf es wieder zu einigen Annäherungen kam, 
die von ihm ausgingen. 
Viertes Capitel. 
Die berliner Periode und die letzten Wnnderjahre. 
(1820-1831.) 
I. Die akademische Lehrthätgkeit. 
1. Die Habilitation und die Vorlesungen. 
Von der Unfestigkeit des ererbten Geldbesitzes zu augenscheinlich 
überzeugt, suchte Schopenhauer gleich nach seiner Heimkehr sich eine
	        
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