Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

Neue Werke und neue Wanderjahre. 
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III. Die Unglücksbotschaft. 
1. Kampf und Sieg. 
Schopenhauer hatte Venedig verlassen und war schon in Mailand 
angelangt, als ihn im Juni 1819 hier ein Brief seiner Schwester mit 
einer schweren Unglücksbotschaft ereilte. Das Danziger Handlungshaus 
Ludwig Abraham Muhl und Co., dem die Mutter fast das ganze 
Vermögen der Tochter und den Rest des ihrigen, Arthur über den 
dritten Theil des seinigen zu hohen Zinsen anvertraut hatten, war 
zusammengebrochen. Jetzt war es Zeit nach Hause zu eilen und zu 
retten, was zu retten war. Als er im August nach Weimar kam. 
wo er Goethen zum letzten mal sah und besuchte, waren Mutter und 
Schwester in Danzig. Er hatte der letzteren gleich nach dem Empfange 
der Nachricht geantwortet, daß er bereit wäre, das Wenige, das ihm 
verblieben, mit den Seinigen zu theilen (Juli 1819). 
Jenes angesehene Handlungshaus wollte sich mit den Gläubigern 
auseinandersetzen und eine Zahlung von 80°/o leisten unter der Be 
dingung, daß alle ohne Ausnahme den Vergleich eingingen; im 
andern Falle stand zu fürchten, daß sich das Haus völlig bankerott 
erklärte und keiner etwas bekam, womit der ökonomische Ruin der 
Mutter und Schwester Schopenhauers besiegelt war. 
Er selbst bot der Gefahr Trotz und weigerte sich, den Vergleich 
anzunehmen; er wollte für seine Person das Abkommen weder hindern 
noch daran theilnehmen, sondern den Gang der Dinge abwarten und 
seine drei Solawechsel, die eine Forderung von 8000 Thalern (zu 6°/o 
verzinslich) repräsentirten, in der Hand behalten, um damit vorläufig, 
wie man im Kartenspiele sagt, „zu passen". Er rechnete, daß der 
Accord ohne ihn zu Stande kommen und nach Wiederaufrichtung der 
Firma das Haus ihm die Schuld bezahlen werde und müsse. Die 
Rechnung erwies sich als richtig. Sobald der erwartete Zeitpunkt 
eingetreten war, half den Danziger Herren kein Bitten und Sträuben, 
keine Versprechungen und keine Einladungen; er präsentirte einen 
Wechsel nach dem andern und bestand auf seiner Forderung bei Heller 
und Pfennig, nicht ohne heimliche Angst, um so mehr mit offenem 
Hohn und Spott in einer Reihe sehr grober, witziger und amüsanter 
Briefe. „Sollten Sie", schrieb er den 1. Mai 1821, „doch noch 
Zahlungsunfähigkeit vorschützen wollen, so werde ich Ihnen das 
Gegentheil beweisen durch die famose Schlußart, welche der große Kant
	        
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