Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

44 Der dritte Abschnitt der Jugendgeschichte. 
ich Ew. Excellenz, mir meine Schrift nunmehr zurückzuschicken mit 
oder ohne Bescheid, wie Sie sür gut finden: in jedem Fall glaube 
ich jedoch noch diese Bitte mit Zuversicht hinzufügen zu dürfen, daß 
sie mir zugleich in zwei lakonischen Worten anzeigen, ob außer 
Ihnen irgend jemand sie gelesen hat oder gar eine Abschrift davon 
genommen ist." 
Goethe vertröstete ihn auf seine Rückkehr nach Weimar, von wo 
er eingehend antworten werde; die Antwort kam, aber keine eingehende; 
er hat die Schrift noch fünf Monate behalten und erst den 29. Januar 
1816 zurückgeschickt, ohne sie je einem andern gezeigt, aber auch ohne 
je sich selbst in einem eingehenden, von Schopenhauer inbrünstig er 
sehnten Urtheile darüber ausgesprochen zu haben. Er fühlte sich theils 
schon dem Gegenstände selbst, dieser „geliebten und betretenen Region" 
der Farbenlehre entfremdet und von dem Widerspruch, den er erfahren 
hatte, ermüdet, theils auch durch die Abweichungen Schopenhauers, wie 
in Ansehung der Farbenpolarität, der Herstellung des Weißen, der 
Entstehung des Violetten unangenehm berührt. Es schien ihm, daß 
der Schüler bereits den Meister spielen wollte, und er hat sich in 
einigen Epigrammen von bitterem Geschmack darüber ausgelassen. * Es 
half nichts, daß Schopenhauer jene Differenzen sür nebensächlich er 
klärte und von seiner Farbenlehre sagte, sie verhalte sich zur Goethe- 
schen, wie die Frucht zum Baum, wie der Scheitelpunkt zur Pyramide, 
daß er der treuste und gründlichste Vertheidiger der Goetheschen Farben 
lehre gewesen und stets geblieben ist. 
Den Vorschlag Goethes, die Schrift seinem Freunde Thomas 
Seebeck, dem Entdecker der entoptischen Farben, mitzutheilen ^ und ihn 
zu einem Urtheile aufzufordern, lehnte Schopenhauer sehr entschieden 
ab, voller Angst und Mißtrauen, daß es ihm mit Seebeck ergehen 
könne, wie es Goethen in Ansehung seiner Entdeckung der Bildung und 
Zusammensetzung des Schädels mit Oken gegangen sei. Er wolle über 
sein Werk „nicht eine Meinung hören, sondern eine Autorität, nicht 
das Urtheil eines Einzelnen, sondern des Einzigen". Er wußte von 
Seebeck und dessen Entdeckung der entoptischen Farben so wenig, daß 
er fragen konnte, ob das Wort nicht „epoptisch" heißen sollte! Daß 
1 S. unten: Zweites Buch. Cap. III. Nr. II. 4. — 2 meine „Er 
innerungen an Moritz Seebeck". Anhang: Goethe und Thomas Seebeck. (Heidel 
berg, Winter 1886.) S. 117—121. Vgl. Goethe an Staatsrath Schultz in 
Berlin. Br. vom 19. Juli 1816.
	        
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