Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

Neue Werke und neue Wanderjahre. 
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dem Zwinger heimkehrte, rief ihm die Hauswirthin zu: „Sie blühen, 
Herr Doctor!" „Ja wohl", erwiderte er, „die Bäume müssen blühen, 
wenn sie Frucht tragen sollen!" 
Im Kreise ästhetischer und belletristischer Schriftsteller, die ihn 
»llupitsr tonans« nannten, da er im Ausdruck seiner Affecte zu 
donnern und zu blitzen verstand, fand er nach angestrengter Geistes 
arbeit gesellige Zerstreuung; und die Ausflüge, die er in die benachbarten 
Gegenden unternahm, im Sommer 18 l6 nach Teplitz, im nächsten 
Sommer in die sächsische Schweiz, gewährten ihm angenehme Erholung. 
Unter jenen Dresdener Freunden befand sich der Kunstkenner Joh. 
Gottlob von Quandt, der bis ans Ende einer seiner treuesten Freunde 
geblieben und noch zuletzt auch ein enthusiastischer Anhänger seiner 
Lehre geworden ist. 1 
Hier in Dresden lernte ihn der Freiherr von Biedenfeld kennen 
und wurde im Fortgange des persönlichen Verkehrs von soviel Interesse 
und Bewunderung für den Philosophen und sein Werk erfüllt, daß er 
dem Buchhändler Brockhaus dringend rieth, dieses Werk zu verlegen. 
Noch vierzig Jahre später hat er im Stuttgarter „Mvrgenblatt" den 
Schopenhauer der Dresdener Jahre aä vivum geschildert. „Als Sohn 
der hochgeachteten Johanna Schopenhauer, völlig unabhängig durch ein 
hübsches Vermögen und früh in philosophisches Studium vertieft, hatte 
Arthur schon vor seiner Ankunft in Dresden sehr reiche Bekanntschaft 
mit dem geselligen Leben in verschiedenen Gegenden Deutschlands ge 
macht, ohne seinen Eigenthümlichkeiten im Mindesten zu entsagen, noch 
in die Schwächen anderer sich geduldig zu fügen. In dieser Hinsicht 
war er unverkennbar ein wenig mokant gäte, von offenherzigster Ehr 
lichkeit, gerade heraus, herb und derb, bei allen wissenschaftlichen und 
litterarischen Fragen ungemein entschieden und fest, Freund und Feind 
gegenüber jedes Ding bei seinem rechten Namen nennend, dem Witze 
sehr hold, oft ein wahrhaft humoristischer Grobian, wobei nicht selten 
der Blondkopf mit den blaugrau funkelnden Augen, der langen Wangen 
falte auf jeder Seite der Nase, der etwas gellenden Stimme und den 
kurzen heftigen Gesticulationen mit den Händen ein gar grimmiges 
Aussehen gewann. Mit seinen Büchern und Studien lebte er fast 
1 Geb. in Leipzig den 9. April 1787, gestorben den 18. Juni 1859 auf 
seinem Gute Dittersbach bei Stolpen in der sächsischen Schweiz. Vgl. Quandts Briefe 
an Adele Schopenhauer vom 26. October 1818 und 16. December 1826. Schemann, 
Schopenhauer-Briefe (Br. über Sch.) S. 489—496.
	        
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