Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

Die Kritik der Darstellungsart. 
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ohne Übersetzung; das Lateinische übersetzt er nie, weil er das Nicht- 
Verständniß dieser Sprache nnr dem gemeinen Volke zuschreibt, und ein 
Geistespatricier, wie er, nicht zum Volke redet. Der Leser soll merken 
und staunen, mit was für einem vielsprachigen Autor er zu thun hat: 
ich fürchte, daß etwas von dieser kleinen Eitelkeit sich wirklich in seine 
Darstellnngsart gemischt und dieselbe verunstaltet hat? 
Das Griechische hat er spät und gut gelernt, aber zu gern damit 
geprunkt und Worte eigener Composition gebildet, ungelenk, schwer 
fällig, mißtönend, vor denen der Genius ihrer Sprache die Griechen in 
Gnaden bewahrt hat. Er nennt sich einen Menschenverächter: das heißt 
ihm auf griechisch „Kataphronanthrop!" Er will den Menschen nicht 
als die Welt im Kleinen (Mikrokosmus), sondern die Welt als den 
Menschen im Großen betrachten: das heißt ihm auf griechisch „Makran- 
thropos!" Statt Farbenblindheit sagt er lieber „Achromatoblepsie" 
u. s. f. Viele seiner Leser, wenn sie ihn so reden hören, werden sagen, 
wie Casca von Cicero: „Was mich betrifft, mir war es griechisch". 
Wir sind nicht Puristen von der thörichten Art, die alle Fremd 
wörter aus unserer Sprache vertreiben möchten, um ungewohnte, 
weniger verständliche deutsche von eigener schlechter Mache an ihre 
Stelle zu setzen; wo aber gute deutsche Ausdrücke vorhanden sind, diesen 
die Fremdwörter vorzuziehen, aus welcher üblen Gewohnheit es immer 
sei, finden wir geschmacklos und verwerflich und müssen einem Schrift 
steller. wie Schopenhauer, der die deutsche Sprache so vorzüglich zu 
. schreiben wie zu würdigen verstanden und unter allen lebenden Sprachen 
als die reichste und ausdrucksfähigste gepriesen hat, diese Untugend 
doppelt vorwerfen. Warum sagt er statt Erweiterung „Amplification", 
statt Veränderlichkeit „Modificabilität", statt Willfährigkeit „Obsequio- 
sität", statt bedauern „regrettiren" und so in zahllosen anderen Fällen? 
Ein anderes übrigens ist der Gebrauch französischer Wörter in deutscher 
Rede, ein anderes und schlimmeres ist die Verfälschung des deutschen 
Sprachgebrauchs durch den französischen. Darin bestehen die eigentlichen 
und verderblichen Gallicismen, welche Schopenhauer selbst auf das 
schärfste verurtheilt hat. 
8. Satzbildung und Jnterpunciion. 
Bisweilen begegnen wir Sätzen von übermäßiger Ausdehnung, 
wie z. B. gleich in der Einleitung der Schrift „Ueber den Willen in 
i Parerga II. § 261 und 309. S. 522, 606,
	        
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