Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

Die Kritik der Darstellungsart. 
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so kapriziöse Spiel des blinden Zufalls sind, doch gleichsam planmäßig, 
so geleitet werde, wie es dem wahren und letzten Besten der Person an 
gemessen ist. Dies angenommen, könnte das Dogma von der Vorsehung, 
als durchaus anthropomorphistisch, zwar nicht unmittelbar und 8en8u 
proprio als wahr gelten; wohl aber wäre es der unmittelbare, 
allegorische und mythische Ausdruck einer Wahrheit und daher, wie alle 
religiösen Mythen — zwar nicht wahr, aber doch so gut wie wahr."* 
Und die Wurzel der Vorsehung? Diese alleinige Wurzel ist 
„das tiefinnere metaphysische Wesen der Dinge", also das Ding au sich! 
Das Ding an sich, welches ja nichts anderes ist und sein soll als blinder 
erkenntnißloser Drang, erscheint nunmehr als die Wurzel der Vor 
sehung, die im Leben des Einzelnen, wie in dem des Ganzen alles 
zum Besten lenkt. Sind wir nicht auf dem Weg zum Theismus? 
Freilich lautetdieUeberschrift: „TransscendenteSpeculation" u.s.f. 
Und gleich im Anfange erklärt der Verfasser seine Betrachtung für 
„eine mataphysische Phantasie". Indessen lassen wir uns dadurch an 
der Bedeutung der Sache und dem Widerstreit im Fundament der 
Lehre nicht irre machen, denn erstens ist bei der genial-künstlerischen 
Geistesart des Philosophen kein so großer Unterschied zwischen einer 
metaphysischen Speculation und einer metaphysischen Phantasie; zweitens 
würde eine solche Betrachtung auch als Phantasie unmöglich sein, wenn 
das Ding an sich das blinde All-Eine wäre, und drittens ist sie in 
der Lehre von der Heilsordnung der Welt begründet. 
Zweiundzwanzigstes Capitel. 
Die Kritik der Darstellungsart. 
I. Vorzüge und Mängel. 
Ich habe im Verlauf dieses Werkes so oft Gelegenheit und will 
kommenen Anlaß gehabt, Schopenhauers Bedeutung als philosophischen 
Schriftstellers und Künstlers zu würdigen, die stets natürliche und er 
leuchtende Kraft seines Ausdrucks, die stets geistvolle, spannende und 
lehrreiche Behandlung seiner Gegenstände, lauter interessanter und 
* Ebendas. S. 225, 228. 
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