Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

32 Der zweite Abschnitt der Jugendgeschichte. 
7., 10. und 14. dieses Monats bei sich gesehen. Er schreibt den 
24. November an Knebel: „Der junge Mann hat sich mir als ein 
merkwürdiger und interessanter Mann dargestellt, du wirst weniger 
Berührungspunkte mit ihm finden, mußt ihn aber noch kennen lernen. 
Er ist mit einem gewissen scharfsinnigen Eigensinn beschäftigt, um 
Paroli und Sixleva in das Kartenspiel unserer neueren Philosophie zu 
bringen. Man muß abwarten, ob ihn die Herren vom Metier in ihrer 
Gilde passiren lassen; ich finde ihn geistreich und das Uebrige lasse 
ich dahingestellt." An demselben Tage schreibt Schopenhauer an 
F. A. Wolf: „Ihr Freund, unser großer Goethe, befindet sich wohl, 
ist heiter, gesellig, günstig, freundlich: gepriesen sei sein Name in alle 
Ewigkeit". 
Die eigentlichen Annäherungen und das Studium der Farbenlehre, 
worin er Goethes Schüler und Anhänger wird, fallen in die ersten 
Monate des Jahres 1814, nachdem ihn Goethe am 8. Januar früh 
in einem Handbillet zu einer Sitzung „um elf Uhr, lieber jedoch um 
halb elf Uhr" zu sich eingeladen hatte. Er ist in dieser Zeit dem 
großen Manne so nahe gekommen, daß er sich über seine idealistische 
und pessimistische Grundansicht offen gegen ihn aussprach. Als er ihm 
einst erklärte, daß die Sinnenwelt unsere Vorstellung sei, und die Sonne 
nicht wäre, wenn wir sie nicht sähen, blickte ihn Goethe groß an und 
sagte: „Vielmehr wären Sie nicht, wenn die Sonne Sie nicht sähe!" 
Auch mit seiner pessimistischen Lebensanschauung muß er nicht 
zurückgehalten haben, wie aus dem Sinnspruch erhellt, den ihm auf seine 
Bitte, als er Abschied nahm, Goethe ins Stammbuch geschrieben hat: 
„Willst du dich deines Werthes freuen, 
So mußt der Welt du Werth verleihen. 
Im Gefolg und zum Andenken mancher vertraulichen Gespräche. 
Weimar, den 8. Mai 1814." Es war gerade vier Monate, seitdem 
ihn Goethe zu Versuchen über die Farbenlehre eingeladen hatte. 
Das Stammbuch Schopenhauers bestand aus diesem einzigen Blatte. 
Kürzer und treffender, als in diesen Goetheschen Worten geschehen ist, 
läßt sich der Widerspruch nicht charakterisiren, an welchem der persön 
liche Pessimismus Schopenhauers zeitlebens gelitten hat: die Mensch 
heit verachten und den Ruhm begehren, der doch in nichts anderem 
besteht als in der hohen Anerkennung der Menschen! 
Daß während seines letzten Aufenthaltes in Weimar (vom No 
vember 1813 bis Mitte Mai 1814) ihn der Orientalist Friedrich
	        
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