Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

458 Die Verneinung des Willens zum Leben. 
Leichnams einen so ernsten, ehrfurchtgebietenden, feierlichen Eindruck 
hervorruft. 
Wenn aber aus dem Leiden und Sterben die Erlösung hervor 
geht, dieses höchste aller Ziele, dieses Endziel im wahrsten Sinne des 
Worts, so sind auch das bittere Leiden und Sterben, die einen ganz 
anderen Charakter als den der Euthanasie haben, nicht allein als die 
Folgen, sondern auch als der Zweck und die Absicht unseres Daseins 
zu betrachten; so waltet in unserem Leben nicht der Zufall, dieser Be 
herrscher des dunklen Weltlaufs, wie er früher genannt wurde, sondern 
ein planmäßiges Schicksal, welches den Weltlauf und unseren Lebens 
lauf dergestalt verknüpft und zusammenführt, daß wir mit „einem 
unverkennbaren Anstriche von Absichtlichkeit" zu dem Ziel der 
Ziele gelenkt werden. Hieraus erst erhellt, was in der Lehre Schopen 
hauers „Heilsordnung" bedeutet? 
IV. Religion und Religionsphilosophie. 
1. Monotheismus und Polytheismus. 
Nunmehr gewinnt diese Lehre den religiösen und religions 
philosophischen Charakter, ans welchen Schopenhauer das größte 
Gewicht legt; derselbe steht in unmittelbarem Zusammenhange mit der 
Lehre von dem Ouietiv und der Willensverneinung, welche er für den 
wichtigsten Punkt seiner ganzen Betrachtung erklärt hat, es ist der 
Zielpunkt alles früheren. Der einzige uns angeborene, weil mit der 
Willensbejahung gegebene, Irrthum war die Einbildung, daß wir da 
sind, um glücklich zu sein und glückselig zu werden. Aus dieser Bor 
stellung entwickelt sich die optimistische Weltansicht, welche den Glauben 
an einen intelligenten, uns günstig gesinnten Welturheber, d. h. den 
Theismus entweder in der Einzahl oder in der Mehrzahl zu ihrer 
Voraussetzung hat und darauf beruht. 
Die Grundform des Monotheismus ist das Judenthum, woraus 
das judaistische Christenthum (d. h. das Christenthum, so weit es jüdisch 
gesinnt war und ist) und der Islam hervorgegangen sind; die höchste 
Blüthe und Gestalt des Polytheismus ist das classische Heidenthum. 
Jede dieser drei Arten des Theismus hat ein Element in sich, welches 
der theistischen und optimistischen Weltansicht widerstreitet und mit 
* Ebendas. II. Cap. XI.VIII. S. 731. Vgl. Ebendas. Cap. XLVII. S. 688. 
Vgl. Parerga I. S. 213-238.
	        
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