Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

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Das Stufenreich der Künste. 
r Die Welt als Wille u. s. f. Bd. I. 8 52. S. 310. 
stellnngen lind Handlungen, wie in der Opera buffa, angepaßte Musik 
übertragen und ist in der letzteren ein exotisches Product. * 
Indem die Musik unser innerstes Wesen selbst unmittelbar ab 
bildet und vernehmbar macht, so erhöht sie gleich unsere ganze Gemüths 
stimmung und dadurch die Bedeutsamkeit der Bilder des Lebens und 
der Kunst, die wir unter ihren Eindrücken betrachten. Darin besteht 
die poetische und gleichsam magisch-belebende Wirkung, welche die Musik 
auf alle Herzen ausübt. Da ihre Tonbilder, diese «universalia ante 
rem», von einer so allgemeinen Bedeutung und so mächtigen Wirkung 
sind, so ist die davon ergriffene Einbildungskraft unwillkürlich bestrebt, 
die Tongebilde in Worten und Handlungen zu individualisiren. Hieraus 
erklärt sich der Ursprung des Gesanges und der Pantomime, die sich 
in der Oper vereinigen. Durch die Verbindung des Gesanges mit 
der Musik — die menschliche Stimme wirkt selbst als ein musikalisches 
Instrument — wird uns das Abbild des Willens unmittelbar durch 
die Töne, mittelbar durch die Worte dargestellt, wodurch sich das 
ästhetisch-musikalische Wohlgefallen verdoppelt, denn dieses zweifache 
Abbild gewährt uns zugleich beide Arten der Erkenntniß, die anschau 
liche und die begriffliche. 
Schon Plato und Aristoteles haben erkannt, daß die musikalischen 
Bewegungsarten den menschlichen Seelenzuständen entsprechen. In 
den „Problemen" heißt es:^ «ot pod^oi xai toc piXr), (pwi] oöaa, 
soixe». Diese Seelenzustände, tiefer gefaßt, sind unsere Willenszustände, 
und der Wille ist das Wesen der Welt. Daher sagt Schopenhauer 
in aller Kürze: „Die Musik ist die Melodie, deren Text die Welt ist". 
„Eine Beethovensche Symphonie zeigt uns die größte Verwirrung, 
welcher doch die vollkommenste Ordnung zu Grunde liegt, den heftigsten 
Kampf, der sich im nächsten Augenblick zur schönsten Eintracht gestaltet: 
es ist rerrnn concordia discors, ein treues und vollkommenes Abbild 
des Wesens der Welt, welche dahin rollt in-unübersehbarem Gewirre 
zahlloser Gestalten und durch stete Zerstörung sich selbst erhält. Zu 
gleich nun aber sprechen ans dieser Symphonie alle menschlichen Leiden 
schaften und Affecte: die Freude, die Trauer, die Liebe, der Haß, der 
Schrecken, die Hoffnung u. s. w. in zahllosen Nüancen, jedoch alle 
gleichsam nur in abstracto und ohne alle Besonderung: es ist ihre
	        
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