Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

Das Stufenreich der Künste. 
Musik den Geist Schopenhauers früher als alle die anderen Probleme 
bewegt, beide gleichzeitig und, was auf den ersten Blick höchst seltsam 
und ungereimt scheinen möchte, dergestalt zusammengehörig, daß in 
beiden Fällen das Wort der Lösung dasselbe war. 
Das Ding an sich enthüllt sich als der Wille, dessen Objectivationen 
die Stufen der Welt sind; die Darstellung dieser Stufen oder der 
Weltideen, d. h. der ewigen und unvergänglichen Erscheinungsarten 
des Willens ist die Kunst und das Stufenreich der Künste, eine einzige 
ausgenommen: die Mnsik. Diese nämlich ist das Abbild nicht der 
Ideen oder Willenserscheinungen, sondern des Willens selbst; daher 
ihre Wirkungen umfassender und tiefer, verständlicher und geheimniß 
voller sind, als die aller übrigen Künste: sie offenbart unmittelbar 
das Wesen der Welt und unser eigenstes innerstes Wesen, indem sie 
dieses zugleich auf das vernehmbarste darstellt und auf das tiefste er 
greift. Wie dies möglich sei und geschehe, ist die Frage, deren Be 
antwortung Schopenhauer „die Metaphysik der Musik" genannt und 
in seinen Werken zu wiederholten malen darzuthun gesucht hat? Was 
in der Darstellung seiner Kunstphilosophie das letzte Problem war, 
die Erklärung des Wesens der Musik, ist in der Entstehung und Aus 
bildung derselben das erste, auch seinen ästhetischen Interessen und 
Kenntnissen das Nächstliegende gewesen. Bon hier aus hat er sich 
über die Aufgaben und Grundthemata der anderen Künste orientiert, 
zunächst über das der schönen Architektur. Der Aufenthalt in Dresden 
hat seinen ästhetischen Studien zum Vortheile gereicht und ist wohl 
auch im Hinblick aus diese gewählt worden. 
Man hat die Bemerkung gemacht, daß Musik und Metaphysik, 
diese beiden so heterogenen und einander entlegenen Gebiete, in dem 
Genius keines anderen Volkes so einheimisch und angebaut seien, wie 
in dem des deutschen, und es ist wahr, daß seit der zweiten Hälfte 
des siebzehnten Jahrhunderts die größten Musiker und die größten 
Metaphysiker aus Deutschland hervorgegangen sind, wie auf der einen 
Seite Bach und Händel, Gluck und Haydn, Mozart und Beethoven, 
aus der anderen Leibniz und Kant. Indessen hat es bis auf unsere 
- Die Welt als Wille u. s. f. I. Buch III. §52. S. 801-316. II. Cap, XXXIX. 
S. 511-528. Parerga II. Cap. XIX. § 222-225. S. 462-469. (Die ganze, 
nunmehr berühmte Musiklehre Schopenhauers umfaßt in Frauenstädts Aus 
gabe nicht mehr als 83>/2 Seiten, die sich um einen beträchtlichen Theil reduciren 
lassen, wenn man Nebensächliches und Wiederholtes abzieht.)
	        
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