Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

334 Der Traum. Das Organ und die Arten des Traums. 
Leichen begraben sind u. s. f. Hierher gehören alle Arten des Lokal 
spuks: das Waffengetöse, das auf dem Schlachtfelde von Marathon 
vernommen wird, die Gespenster in verrufenen Schlössern u. dgl. 
5. Die Geister der Abgeschiedenen. 
Es giebt eine magische Wirksamkeit auch der Individuen ans 
einander. Wenn ein Sterbender voller Sehnsucht an eine geliebte 
Person denkt und deren Nähe auf das Innigste herbeiwünscht, so ge 
schieht es wohl, daß diese seine Willensrichtung sein Bild in dem Gehirn 
des andern hervorruft und der Sterbende ihm erscheint. Nun ist die 
Frage, ob auch von Verstorbenen gelten darf, was von Sterbenden 
gilt; ob auch die Abgeschiedenen noch im Stande sind, lebenden 
Personen zu erscheinen und sich persönlich zu vergegenwärtigen? 
Wer diese Möglichkeit vollständig in Abrede stellt, muß den Tod 
für die absolute Vernichtung der Person halten, was die Materialisten 
thun und alle diejenigen thun müssen, welche Raum und Zeit für 
Dinge an sich, d. h. für die ungeheuren Behältnisse ansehen, worin 
alles Dasein eingeschachtelt und eingepfercht ist. Wer dagegen mit und 
durch Kant die Idealität des Raums und der Zeit erkannt hat und 
weiß, daß, davon völlig unabhängig, das Ding an sich das Wesen 
der Welt, den unzerstörbaren und ewigen Kern jeder Persönlichkeit aus 
macht, der wird sich wohl hüten, der Lehre von der absoluten Ver 
nichtung der Person durch den Tod beizupflichten. 
Die wahre Metaphysik, nämlich die richtige Lehre vom Dinge 
an sich und von Raum und Zeit ermöglicht das magische Geschehen, 
und dieses dient jener zum praktischen Beweise. Die Magie, richtig 
verstanden, sei nach Bacon, wie schon oben erwähnt, praktische Meta 
physik oder Experimentalmetaphysik. 
Schopenhauers „Versuch über das Geistersehn und was damit 
zusammenhängt" ist eine Wanderung durch das Labyrinth der Traum 
welt, dieses dunkle Reich des Lebens, das man auch dessen Nachtseite 
genannt hat. In diesem Sinne, nicht in dem des Dichters, hat er 
die Worte des Goetheschen Orest zum Motto genommen: 
Und laß dir rathen, habe 
Die Sonne nicht zu lieb und nicht die Sterne; 
Komm' folge mir ins dunkle Reich hinab!
	        
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