Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

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Der Traum. 
- Parerga I. S. 242-243. Vgl. S. 280-283, S. 310—811. 
sondern nur die Ignoranz des Skepticismus; wer sie verneint, ist 
kein Ungläubiger, sondern ein Unwissender. 1 
2. Der Traum als Gehirnphänomen. 
Um die Frage nach den Geistererscheinungen zu beantworten, muß 
dieselbe vor allem richtig gestellt und generalisirt werden. Es handelt 
sich nicht um die räumliche Realität der Geister — diese Frage 
ist schon verneint—, sondern um die Möglichkeit ihrer Erscheinung. 
Wie ist es überhaupt möglich, daß uns Dinge als wirkliche erscheinen, 
ohne die Gegenwart äußerer Körper und ihrer Eindrücke auf unsere 
Sinnesorgane? Daß es möglich ist, wird durch eine Thatsache unserer 
alltäglichen Erfahrung sogleich bewiesen und außer Zweifel gesetzt: 
diese Thatsache ist der Traum, dessen Erscheinungen an Realität und 
Anschaulichkeit mit denen der Körper- und Sinnenwelt wetteifern. 
Hieraus erhellt, daß diese Erscheinungen keineswegs Phantasiebilder 
sind, als welche eine solche Anschaulichkeit nicht haben und haben können, 
sondern Gehirnphänomene, wie die Vorstellung der sinnlichen und 
materiellen Dinge. 
Da nun der Schlaf die wesentliche Bedingung des Traumes ist, 
so sind die Erscheinungen des letzteren Phänomene des schlafenden 
Gehirns im Gegensatze zu denen des wachen, nur daß die Erregungen 
auf welche sie stattfinden und woraus die Gehirnfuuction sie gestaltet, 
äußere Sinneseindrücke nicht sind und sein können, denn das Gehirn 
schläft, während es träumt. Wie alle Vorstellungen bedingt oder be 
gründet sind und überhaupt in der Welt nichts Grundloses geschieht, 
so können auch die Traumvorstellungen unmöglich aus dem Nichts 
hervorgehen. 
Auch aus der sogenannten Gedankenassociation läßt sich die Ent 
stehung der Träume nicht erklären, wie man etwa gemeint hat, daß 
der Faden unserer Vorstellungszustände sich aus dem wachen Leben in 
den Schlaf hinüber- und in der Gestalt von Träumen fortspinne; ein 
solcher Zusammenhang müßte sich in den Traumzuständen während des 
Einschlafens besonders kenntlich machen, was aber, wie die Erfahrung 
lehrt, gar nicht der Fall ist. Wenn nun feststeht, daß die Träume 
weder aus den Gedanken herstammen, die uns beschäftigen, noch aus 
den äußeren Sinneseindrücken, so bleiben als Stoff, den das fchlafende
	        
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