Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

Das Organ und die Arten des Traums. 
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gängige Grundthema ausmacht, auch die Geistererscheinungen durch das 
sogenannte „Traumorgan" wahrgenommen werden und auf magische 
Art entstehen, so habe ich für dieses Capitel die obige Ueberschrift 
gewählt und lasse dasselbe hier folgen, nachdem in dem vorhergehenden 
die Bedeutung und Erklärung der Magie in der Lehre unseres Philo 
sophen dargethan worden ist. 
Was von Raum, Zeit und dem in unserer Sinnenwelt ausnahms 
los herrschenden Causalnexus völlig unabhängig geschieht, das geschieht 
auf magischem Wege: daher besteht die magische Wirkungsart in der 
«actio in distans», die magische Wahrnehmungsart in der «visio in 
distans», die magische Eindrucksfähigkeit in der «xassio a distante». 
Wären Raum und Zeit für sich bestehende Wesenheiten, die alles 
Dasein in sich fassen und schließen, so wäre alles magische Geschehen 
vollkommen unmöglich. Da aber Raum und Zeit, wie Kant gelehrt 
und bewiesen hat, solche Wesenheiten nicht sind, sondern bloße An- 
schauungs- oder Vorstellungsformen, so ist das magische Geschehen 
möglich und erklärbar. 
Erst die Lehre von der Idealität des Raumes und der Zeit, 
d. h. der transscendentale oder Kantische Idealismus hat die Erklärung 
der Magie ermöglicht, was der Spiritualismus in Ansehung der 
Geistererscheinungen zwar versucht, aber nie vermocht hat. Dieser 
nämlich betrachtet die Seele als eine denkende Substanz, als ein für 
sich bestehendes, geistiges, von ihrem Leibe trennbares, durch den Tod 
getrenntes Wesen, nach welchem die Seele oder der Geist irgendwo im 
Raume fortexistirt, räumlicher Veränderungen und Erscheinungen fähig. 
So versteht der Spiritualismus die Möglichkeit der Geistererscheinungen. 
Eine immaterielle, im Raum befindliche Substanz ist ein Unding: 
daher hat der Materialismus die Geistererscheinungen von jeher verneint 
und der Skepticismus von jeher bostritten; Kant aber in seiner Schrift 
„Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik" 
hat dieselben gründlich verspottet und sich aus dem Wege geräumt, 
und zwar beide: sowohl die Geistererscheinungen als auch den Spiri 
tualismus. sowohl den Geisterseher als auch die Metaphysiker. 
Schopenhauer ist der erste gewesen, der die idealistische Lehre 
zur Erklärung der Magie und ihrer Werke in Anwendung gebracht 
hat. Es giebt eine Thatsache, die das magische Geschehen außer 
Frage und Zweifel stellt: der animalische Magnetismus und das 
Hellsehen. Wer diese Thatsache bezweifelt, verräth nicht den Scharfsinn,
	        
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