Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

14 Biographische Nachrichten. Das Zeitalter Schopenhauers. 
dann die Eltern durch England und Schottland reisten, wurde der Sohu 
während der drei Sommermonate in der Pension des Rev. Lancaster 
zu Wimbledon bei London zurückgelassen, um sich in der Sprache und den 
Sitten der Engländer einheimisch zu machen. Er hat sich hier lange 
nicht so wohl gefühlt, wie in Havre; die-englischen Sitten haben ihn 
weniger angemuthet als die französischen, und besonders ist die englische 
Bigoterie ihm zuwider geworden und zeitlebens geblieben. Dagegen 
hat er die englische Sprache sehr gut erlernt und liebgewonnen, er hat 
später durch fortgesetzte Uebung sich den Gebrauch derselben in einem 
Grade angeeignet, daß er im Gespräche mit Engländern stets für einen 
Engländer galt, und erst nach einiger Zeit gemerkt wurde, daß er es 
nicht sei. Uebrigens hatte er sich in Wimbledon, wie aus den ab 
mahnenden Briefen der Mutter hervorgeht, zu viel mit dichterischen 
Werken, namentlich den Tragödien Schillers beschäftigt. 
Der zweite längere Aufenthalt war Paris. Hier diente ihnen 
ein merkwürdiger Mann, einer der genausten Kenner der Stadt und 
ihrer Geschichte, zum täglichen Führer: der bekannte Schriftsteller Louis 
Seb. Mercier, der Verfasser des bändereichen «Tableau de Paris». 
Daß diesem Manne ein interessanter Moment unserer großen Litteratur 
zu danken war, ahndeten weder die Reisenden noch er selbst. Vor zwanzig 
Jahren hatte Mercier ein dramatisches Porträt Philipps II. veröffentlicht 
und in dem «Precis historique», der vorausging, den Untergang der 
Armada in poetischer Prosa verherrlicht. Schiller, noch in der Dichtung seines 
Don Karlos begriffen, hatte jenen Prosahymnus in Verse übertragen, 
welche er „Die unüberwindliche Flotte" nannte. Ohne dieses Gedicht, 
deren eigentlicher Urheber Mercier ist, wäre der Medina Sidonia und 
mit ihm eine der schönsten und gelungensten Scenen nicht in das 
Trauerspiel unseres Don Karlos gekommen. Noch heute lesen wir die 
lebendige Schilderung mit Vergnügen, welche Johanna Schopenhauer 
von der Person Merciers gegeben hat? 
Nachdem man zwei Monate in Paris verweilt hatte, wurde gegen 
Ende Januar 1804 die Reise fortgesetzt, sie ging in das südliche 
Frankreich, und dann von Lyon nach Genf, Savoyen und der Schweiz. 
In den Erzählungen der Mutter, obwohl sie den Sohn nicht nennt, 
erkennen wir die unvergänglichen Eindrücke, die seine Phantasie damals 
> Meine Schrift „Schillers Jugend- und Wanderjahre in Selbstbekenntnissen". 
2. Aust. S. 227—229. — Joh. Schopenhauer, Jugend- und Wanderleben. Th. II. 
(Aus dem Nachlaß.)
	        
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