Die Metaphysik der Natur.
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* Ebendas. I. Buch II. § 19,
Angst, Gram, Schreck, Entsetzen u. s. f., unmittelbar Veränderungen
leiblicher Zustände und Störungen vitaler Functionen.
Diese Erfahrungen des täglichen Lebens bezeugen in der deutlichsten
und augenscheinlichsten Weise, daß Wille und Leib identisch sind
und der Leib die unmittelbarste Erscheinung des Willens. Diese Iden
tität nennt Schopenhauer „die philosophische Wahrheit katexochen" und
darf sich mit vollem Recht das Verdienst zuschreiben, dieselbe in ihrer
fundamentalen Bedeutung erkannt und auf das hellste erleuchtet zu haben.
2. Die Welt als Wille.
Das erkennende Subject ist Wille und Leib, verkörperter Wille,
wirkliches Individuum. Unter allen seinen anschaulichen Vorstellungen
ist eine einzige, die mehr und etwas ganz anderes ist als eine bloße
Vorstellung: diese eine ist sein Leib, das Werk einer Kraft, die ihm
in der intimsten Weise bekannt ist und einleuchtet, da sie sein eigenstes
innerstes Wesen ausmacht. Sein Leib ist die Erscheinung seines Willens.
Die Realität des erkennenden Subjects ist diesem selbst völlig gewiß.
Nun entsteht die Frage, ob die anderen Objecte auch Willenserscheinungen
sind oder bloße Phantome? Dies ist die Frage nach der Realität
der Außenwelt.
Der praktische Egoismus ist nach seiner Gesinnungsart sehr ge
neigt, im Glauben an die alleinige Realität des eigenen Ichs alle
anderen Menschen so zu behandeln, als ob sie Phantome waren. Indessen
macht er die Erfahrung vom Gegentheil. Der theoretische Egoismus,
wenn er ernstlich wähnt, daß alle Objecte außer dem eigenen Leibe
Phantome sind, gehört ins Tollhaus; wenn er aber die Realität der
Dinge bloß bestreitet und seine Ansicht skeptisch und sophistisch zu ver
schanzen sucht, so spielt er die Rolle einer kleinen, zwar unbezwinglichen,
aber völlig unschädlichen und bedeutungslosen Grenzfestung, die man
liegen läßt?
Die Analogie des eigenen Leibes und der anderen menschlichen
Leiber ist so einleuchtend, daß sich darauf der Schluß gründet: was
von jenem gilt, gilt auch von diesen. Kein menschlicher Leib ist bloße
Vorstellung, jeder ist zugleich Vorstellung und Wille. Was von allen
menschlichen Leibern gilt, muß auf Grund der Analogie beider auch
von den thierischen gelten. Und was von allen thierisch-mensch-