Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

270 
Die Welt als Wille. 
- Ebendas. I. Buch II. § 18. 
entsprechende Leibesact zwei verschiedene Zustände seien, die sich als 
Ursache und Wirkung zu einander Verhalten. 
Diese Meinung ist falsch, denn der Satz vom Grunde gilt nuMür 
das Gebiet der Objecte oder anschaulichen Vorstellungen, in welches der 
Wille nicht gehört, von welchen vielinehr derselbe völlig unabhängig ist: 
daher ist auch der Satz vom Grunde auf den Willen und sein Verhältniß 
zum Leibe nicht anwendbar. Oder dasselbe anders ausgedrückt: die Be 
ziehung der Causalität besteht nur zwischen Objecten oder Vorstellungen; 
der Leib ist ein Object, der Wille ist keines; der Leib ist eine Vorstellung, 
der Wille ist keine: mithin kann die Beziehung beider nicht die Causa 
lität sein; sie verhalten sich nicht, wie Ursache und Wirkung, sondern 
wie Kraft und Aeußerung, sie sind nicht zwei verschiedene Wesen, sondern 
eines und dasselbe; so sind auch die Erregungen beider nicht zwei ver 
schiedene Zustände, sondern einer und derselbe. Kurz gesagt: ihr Ver 
hältniß ist nicht Causalität, sondern Identität: der Leib ist der 
manifestirte, in die Erscheinung getretene, Object gewordene Wille. 
Darum nennt ihn Schopenhauer „die Objectität des Willens"? 
Wollen und Thun, Willcnsact und Leibesact, sind eines; nur 
verstehe man unter Wollen das wirkliche, entschlossene, thätige Wollen, 
nicht allerhand veränderliche Vorsätze und Velleitäten. Diese Identität 
aber erstreckt sich nicht bloß auf die willkürliche» Leibesactionen, sondern, 
wie näher zu zeigen ist, auf die leiblichen Zustände und Veränderungen 
insgesammt, darum auch auf die Gliederung und Gestaltung des Leibes, 
mit einem Worte auf den ganzen Leib, der durchaus nichts anderes 
ist als die unmittelbarste Erscheinung des Willens. 
Hieraus aber erklärt es sich, daß die äußeren Einwirkungen auf 
den Leib unmittelbar als angenehm oder als unangenehm, als Lust 
oder als Unlust, noch stärker als Schmerz oder als Wohlbehagen em 
pfunden werden, welche Empfindungen keinerlei Vorstellungen sind, 
sondern Willenserregungen und Asfecte. Denn was sind Lust und Un 
lust anderes als ein erzwungenes augenblickliches Wollen oder Nichtwollen 
des Eindrucks? Ausgenommen sind die Einwirkungen auf die höheren 
theoretischen Sinne, wie Gehör und Gesicht, deren Erregungen erst dann 
schmerzhaft wirken, wenn entweder die Reize übermäßig stark sind oder 
der Organismus sich im Zustande der Nervenschwäche befindet. Und 
andererseits sind die heftigen Willenserregungen und Asfecte, wie Furcht,
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.