268
Die Welt als Wille.
auch der Gebende und der Tod das große reservoir des Lebens ist,
daher also, daher, aus dem Orkus kommt alles, und dort ist schon
jedes gewesen, das jetzt Leben hat: — wären wir nur fähig, den
Taschenspielerstreich zu begreifen, vermöge dessen das geschieht: dann
wäre alles klar." 1
Achtes Capitel.
Die Welt als Wille. Die Metaphysik der Natur.
I. Die Realität der Außenwelt.
1. Der Leib als Wille.
In der Außenwelt erscheint uns die Materie in zahllosen Gestalten
und Zuständen, beide in unaufhörlichem Wechsel. Die Gestalten, wie
wir sie auf der Erde in der Bildung der Minerale, Pflanzen und
Thiere vor uns sehen, sind die Formen, die Reihe ihrer verschiedenen
Zustände die Veränderungen der Körper. Demgemäß zerfällt alle
Naturwissenschaft in die Morphologie, d. i. die Lehre von den Formen,
die man auch Naturbeschreibung oder Naturgeschichte zu nennen pflegt,
und die Aetiologie, d. i. die Lehre von den Ursachen: die Gebiete
der ersten sind Mineralogie, Botanik, Zoologie und Anthropologie,
die der zweiten Mechanik, Physik, Chemie und Physiologie. Die
organischen Formen pflanzen sich auf dem Wege der Abstammung und
Zeugung fort; die mechanischen Ursachen wirken durch Kräfte, deren
constante von gewissen Bedingungen abhängige Erscheinungsformen
Naturgesetze genannt werden, deren Wesen aber der äußeren Betrachtung
unzugänglich und darum unbekannt ist und bleibt. Die Naturlehre
wimmelt von einem Heer solcher Kräfte: lauter qualitates oecultae. 2
Daher ist alle Naturerklärung (wie ein berühmter Physiker unserer
Tage auch gesagt hat) im Grunde nichts anderes als Naturbeschreibung.
Die Außenwelt, um mit Schopenhauer zu reden, gleicht einem Schloß,
das der forschende Wanderer von allen Seiten sehr genau in Augen
schein nimmt, und dessen Fayaden er skizzirt, dessen Inneres aber ihm
ewig verborgen bleibt. So verhalten sich die Naturforscher zur Sinnen
welt. Auch von den Philosophen vor ihm, wie Schopenhauer findet,
- Ebendas. S. 529-580. - - S. oben Buch II. Cap. VI. S. 241.