Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

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Die Farbenlehre. 
des ersten Theils hatte es achtzehn Jahre gedauert; ein eben so großer 
Zeitraum verging von den Beiträgen zur Optik bis zur Erscheinung 
der „Farbenlehre" im Jahre 1810. Das Werk zerfiel in den didak 
tischen, polemischen und historischen Theil: der didaktische handelte in 
seinen drei ersten Hauptabschnitten von den physiologischen, physischen 
und chemischen Farben. 
Ein angesehener, nachmals durch seine Entdeckung der entoptischen 
Farben und der Thermoelektricität berühmter Physiker, Thomas Seebeck, 
seit 1806 mit Goethen in wissenschaftlich vertrautem und persönlich 
befreundetem Verkehr, stimmte in seinen Grnndzügen der Farbenlehre 
vom Jahre 1811 im Wesentlichen mit jenem überein. Einer der 
größten Physiologen unseres Jahrhunderts, Johannes Müller, erklärte 
in einer seiner ersten Schriften „Zur vergleichenden Physiologie des 
Gesichtssinnes" (1826): „Ich meines Theils trage kein Bedenken zu 
bekennen, wie sehr viel ich den Anregungen durch die Goethesche Farben 
lehre verdanke, und kann wohl sagen, daß ohne mehrjährige Studien 
derselben in Verbindung mit der Anschauung der Phänomene selbst 
die gegenwärtigen Untersuchungen wohl nicht entstanden wären. Ins 
besondere scheue ich mich nicht zu bekennen, daß ich der Goetheschen 
Farbenlehre überall dort vertraue, wo sie einfach die Phänomene dar 
legt und in keine Erklärungen sich einläßt, wo es auf die Beurtheilung 
der Hauptcontroverse ankommt."* 
Als Müller sein Werk dem Verfasser der Farbenlehre überreichte, 
schrieb er: „Ich muß es Ihrer Güte und Nachsicht anheimstellen, ob 
Ihnen die Lust bleiben wird, diese Weihegeschenke eines bisher schweig 
samen und unbekannten Schülers in der Nähe zu betrachten und zu 
prüfen. Wie sie mit dieser Erscheinung zufrieden sein werden, im 
Falle Sie diese Erläuterungen auf einer von Ihnen selbst gebrochenen 
Bahn Ihrer Durchsicht und Prüfung würdigen sollten?" „Ich finde 
einen so engen Zusammenhang zwischen dem, was Sie uns gegeben, und 
dem, was ich daraus habe weiter bilden können, daß ich so kühn sein 
könnte, für alle Folgen Sie selbst verantwortlich zu machen." ^ 
Die Schrift Müllers war epochemachend. Sie enthielt die Lehre 
von den „specifischen Sin: esenergieen", worauf die gesammte 
* Joh. Müller. Zur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinnes. VIII. Frag 
mente zur Farbenlehre, insbesondere zur Goetheschen Farbenlehre. S. 895 ff. 
2 Goethes Werke (Hempel). Th. XXXV. Einl. S. L. ff.
	        
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