Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

Der Satz vom zureichenden Grunde. 173 
Causalität sind. Aus der Identität des wollenden und erkennenden Sub 
jects erklärt sich, daß der Wille, da er unser innerstes Wesen ausmacht, 
das Erkennen beherrscht und lenkt, daß ihm das Vorstellungsvermögen ge 
horcht und die Vorstellungen, welche der Wille braucht, und für die sich 
derselbe interessirt, in seinen Dienst stellt, indem es sie wiederholt und 
einübt, sich einprägt und im Gedächtnisse aufbewahrt. Wir lernen am 
leichtesten und behalten am nachhaltigsten, was uns am meisten 
interessirt; das Interesse aber entspringt aus dem Willen: daher der 
Einfluß des letzteren auf unsere Aufmerksamkeit und unser Gedächtniß. 
Hier sind einige Punkte bezeichnet und angedeutet, welche Schopenhauer 
später in einem der vorzüglichsten und wichtigsten Abschnitte, der vom 
„Primat des Willens im Selbstbewußtsein" handelt, im zweiten Bande 
des Hauptwerks ausgeführt hat? 
VI. Die vierfache Nothwendigkeit. 
Der Satz des Grundes begreift alle Nothwendigkeit in sich und ist 
deren Träger: die Arten des Grundes sind daher auch die der Noth 
wendigkeit. Nothwendig sein heißt nichts anderes, als aus einem ge 
gebenen Grunde folgen: daher giebt es keine unbedingte oder absolute 
Nothwendigkeit, sondern nur eine bedingte oder hypothetische. Absolute 
Nothwendigkeit ist soviel als absolute Ursache, als causa prima, causa 
sui, d. h. sie ist nichts. 
Wie der Grund, so ist auch die Nothwendigkeit vierfach: logisch, 
physisch, mathematisch und moralisch. Die moralische Nothwendigkeit 
ist die Folge aus einem Grunde, der sich aus zwei Factoren zusammen 
setzt: dem individuellen Charakter und der ihm zugehörigen Erkenntniß 
sphäre, d. h. aus der bestimmten Willensrichtung und dem durch den 
Grad der Erfahrung und Lebensklugheit bestimmten Motiv? 
Die vierfache Wurzel des Satzes vom Grunde weist auf einen 
gemeinsamen Ursprung in der Urbeschaffenheit unseres ganzen Er 
kenntnißvermögens hin, als auf den innersten Keim aller Dependenz 
und Relativität der Objecte unseres in Sinnlichkeit, Verstand und 
Vernunft, Subject und Object befangenen Bewußtseins und der ihm 
entsprechenden Sinnenwelt, von der Plato gesagt hat, daß sie nie ist, 
sondern beständig entsteht und vergeht. Unsere Sinnlichkeit heißt darum 
* Ebendas. § 44-45. Vgl. die Welt als Wille und Vorstellung. Bd. II. 
Cap. 19. - 2 Vierf. Wurzel. Cap. VIII. § 46-50.
	        
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