Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

158 Die Ausgaben sämmtlicher Werke. 
weg gewiß sein wollte und daher stets nur dann geschrieben habe, wenn 
ich etwas zu sagen hatte. Wenn dieser Grundsatz allgemein würde, 
dürften die Litteraturen sehr zusammenschrumpfen." 
Nun hat sich nach seinem Tode nicht bloß die Schopenhauer- 
Litteratur ins Ungemessene ausgedehnt, sondern auch die Ausgaben 
seiner Werke haben gegen den urkundlichen Willen des Verfassers 
ihren Umfang mehr als verdoppelt. Er wollte nicht mehr als fünf 
Bände verfaßt haben, die alles enthalten, was er je geschrieben: den 
ganzen Ertrag seines 73jährigen Lebens. Gegenwärtig zählt die 
inhaltlich beste und sorgfältigste Ausgabe der Werke seines Namens 
elf Bände und eröffnet uns die hoffnungsreiche Perspective in einen 
noch größeren Umfang. „Inzwischen sehe ich", so sagt der Heraus 
geber des handschriftlichen Nachlasses, „diese meine Publikation der 
Schopenhauerschen Posthuma, nur vorläufig für abgeschlossen an: ich 
hoffe, daß die vollständige Veröffentlichung der gesummten, auf der 
Berliner Universität verwahrten wissenschaftlichen Manuskripte, die 
«der große philosophische Genius unseres Jahrhunderts» der Welt 
hinterlassen hat, nicht allzulange auf sich warten lassen wird." 
Daß nur die anhaltende Aufmerksamkeit der Leser nicht nach 
läßt, da doch Schopenhauer selbst einer solchen Aufmerksamkeit gewiß 
sein und bleiben wollte, weshalb er mit gutem Bedacht vieles un 
gedruckt ließ! Aber die Lehrlinge verhalten sich zum Meister, wie die 
Ultraroyalisten zum Könige, sie sind «plus royaliste, que le roi 
meme», oder auch wie die Kärrner zu den Königen: „Wenn die 
Könige bau'n, haben die Kärrner zu thun!" 
Es scheint mir nicht wohlgethan, die Skrinien und die Manuskript- 
Bücher auszuleeren, um Nachträge zu Nachträgen zu liefern, welche 
selbst schon „Nachträge zu Nachträgen" sind. Daß nur die Lehrlinge 
nicht am Ende das Schicksal des „Zauberlehrlings" ernten! Wenn 
der Meister wiederkommen könnte und sehen, wie seine Besen laufen, 
so würde er, glaube ich, mit dem alten Hexenmeister rufen: 
In die Ecke 
Besen, Besen! 
Seid's gewesen! 
Denn als Geister 
Ruft euch nur zu seinem Zwecke 
Erst hervor der alte Meister.
	        
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