Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

Schopenhauers Charakter. 
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die nicht von der Anschauung, sondern von fertigen Begriffen ausgeht, 
hielt er für „verkehrt" und wollte eine solche Verkehrtheit schon in der 
ersten Schrift Herbarts: „Die Hauptpunkte der Metaphysik" (1808) 
gefunden haben. Wiederholt nennt er sie „ein Gewebe von Verkehrtheiten" 
und Herbart selbst „einen Querkopf, der sich seinen Verstand verkehrt 
angezogen habe und zudem ein nüchterner, platter Geselle" sei. Ihm 
gegenüber weist er als das entgegengesetzte Beispiel auf sich und sein 
eigenes Werk hin: „Wo giebt es in der deutschen Litteratur ein Buch, 
welches man aufschlagen kann, wo mau will, und gleich mehr Gedanken 
empfängt, als man zu fassen vermag, wie mein zweiter Band der Welt 
als Wille und Vorstellung V' 1 
4. Der Glanz der Welt und deren Scheinwerthe. 
.<£§ ist oft gesagt und von Schopenhauer selbst bekräftigt worden, 
daß geniale Menschen wegen ihrer unbezwinglichen Natürlichkeit den 
Kindern gleichen und nie aufhören solche zu sein. Das Wort gilt 
auch von ihm. Den Kindern gleich, hat er sich durch den Glanz und 
die glänzenden Dinge der Welt blenden lassen, und zwar sein Leben 
lang. Wenn mau den Philosophen und Pessimisten hört, so sollte 
man meinen, daß niemand die Scheinwerthe der Welt so vollkommen 
durchschaut, so von Grund aus verachtet habe, wie er. Wenn man aber 
auf seine natürliche und gewohnte Sinnesart achtet, so überrascht und 
amüsirt es uns zu sehen, wie sehr ihm diese Dinge imponirt haben. 
Er würde zu stolz gewesen sein, sich je um äußere Ehren zu be 
werben; wenn man aber seine Verdienste durch Würden, Titel und 
Orden belohnt hätte, so würden ihm auch solche äußere Zeichen der 
Anerkennung höchst erfreulich gewesen sein. Als er von Drontheim 
die große Medaille mit dem Bildniß des Königs erhalten hatte, sagte 
er in dem Dankschreiben ganz ausdrücklich, daß ihm «eslsissirna regis 
effigies in nummo honorario pulcherrime expressa» zu ganz besonderer 
Ergötzung gereiche. In seiner Phantasie und Bildersprache spielte der 
glänzende Schein der Welt, die Throne und Kronen, die Diamanten 
und Perlen eine hervorragende Rolle. Um es imposant auszudrücken, 
daß er Kants alleinberechtigter Nachfolger sei, ließ er dem Bildhauer 
Rauch sagen, die Büste Kants, die er bestellt hatte, sei für dessen 
„ächten und wahren Thronerben" bestimmt. Um Kants Lehre von 
1 Arthur Schopenhauer, S. 500, 501, 569. Br. vom 80. Seht. 1850 und vom 
22. Nov. 1852. Vgl. die Abhandlung „Ueber die Universitätsphilosophie".
	        
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