Volltext: Deutsche Siedlung im Osten [34]

Adel und die hohe Geistlichkeit durch die unerwarteten Fort¬ 
schritte des deutschen Bürgerstandes in ihrer Stellung bedroht 
und setzten alles daran, seinen Einstuß und seine Macht zu 
brechen. Die Lerrscher wußten wohl, welchen Wert der Bürger¬ 
stand für sie als Gegengewicht gegen den unbotmäßigen Adel 
hatte; aber sie waren für die Dauer zu schwach, dem Ansturm 
der Großen zu widerstehen, denen kein Mittel zu schlecht war, 
ihre selbstsüchtigen Pläne durchzusetzen. So wurden das blühende 
deutsche Städtewesen und die deutschen Ansiedelungen überhaupt 
vernichtet, ohne Rücksicht darauf, daß dadurch die Entwicklung 
der einzelnen Staaten selbst gefährdet wurde. Erleichtert wurde 
der Vernichtungskampf durch die Aneinigkeit unter den deutschen 
Gemeinwesen, das ein Spiegelbild der damaligen kläglichen poli¬ 
tischen und nationalen Verhältnisse im deutschen Mutterland war. 
Dazu gesellte sich der allgemeine Niedergang infolge der Türken¬ 
einfälle, die eine ersprießliche Kulturarbeit unterbanden. Äberaus 
viel trug zum Verfall die Reformation und die Gegenreformation 
bei; die Parteikämpfe erschütterten überall das Deutschtum und 
stärkten seine Feinde. Dem durch diese Leimsuchungen geschwächten 
Deutschland wurde es unmöglich, sich um seine Außenposten zu 
bekümmern. Zu dem allen kam die Entdeckung des Seeweges 
nach Ostindien, die dem Lande! und Wandel ganz andere Rich¬ 
tungen wies, den Osten Europas aus dem großen Verkehr aus¬ 
schaltete und den reichen Quell des Wohlstandes den Deutschen 
des Ostens abschnitt. Die Entdeckung Amerikas hat schließlich 
dem Überschuß an deutscher Volkskraft neue Wege gewiesen. 
Anzählige Deutsche, die früher im Osten Arbeit und Leimat ge¬ 
sucht hatten, wanderten fortan übers große Wasser. Man mag 
nun die Auswanderung von welcher Seite immer betrachten, un¬ 
bedingt hat sie unendliche Kräfte dem Mutterlands entzogen; 
sie hat sie in Gebiete geführt, in denen sie dem deutschen Lande 
unmittelbar keinen Nutzen bringen; sie hat unsere geschloffene 
Masse verringert, während die Nachbarn sich wie der Sand am 
Meere vermehrten; sie hat die günstigste Zeit zur Erwerbung von 
Kolonialland im Osten, das dem alten Mutterland ganz anderen 
Nutzen gebracht hätte als überseeische Ansiedelungen*), unbenützt 
*) Damit soll über Kolonialbesitz nicht der Stab gebrochen werden; 
er ist für die Gewinnung der ausländischen Rohprodukte nötig, erfordert 
aber durchaus nicht deutsche Besiedelung.
	        
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