Volltext: Deutsche Siedlung im Osten [34]

Auch jetzt besteht im deutschen Mutterlande ein gewaltiges Be¬ 
dürfnis nach Rohprodukten, Getreide, Vieh. Schon weist man 
in Deutschland darauf hin, welche Not hier eintreten könnte, 
wenn der Seeweg durch unvorhergesehene Vorgänge gesperrt 
würde. Nachdem man in Deutschland lange Zeit das Ansiede¬ 
lungsgebiet im Osten zugunsten der Äberseepolitik vergessen hat, 
lenkt man jetzt die Aufmerksamkeit wieder darauf. Man hat 
das Schlagwort Berlin—Wien—Bagdad geprägt. Gewiß sind 
wir noch weit von der Erfüllung dieser Pläne entfernt, aber 
die Annäherung der südöstlichen Staaten, vor allem die Lat¬ 
tung der Türkei, eröffnen die besten Aussichten. Dabei muß 
stets betont werden, daß die Schaffung dieses großen gemein¬ 
samen Wirtschaftsgebietes für alle miteinbezogenen Staaten und 
Völker von höchster Bedeutung wäre. Warum sollen also die 
Pläne nicht gelingen? Bei ihrer Verfolgung ist aber sicher, 
daß jede Ansiedelung im Osten ein Brückenpfeiler ist, über den 
der große Zukunftsweg des deutschen Volkes geht. Diesen Weg 
ist es gegangen, bevor durch die Eroberung Amerikas die Ab¬ 
wanderung der überschüssigen deutschen Kräfte übers Meer be¬ 
gann, wo sie dem Muttervolke zum größten Teile verloren gingen! 
Wie stünde das deutsche Volk heute da, wenn diese unzähligen 
Scharen in früheren Jahrhunderten nach dem Osten gelenkt worden 
wären! Dann wären die verheißungsvollen älteren deutschen An¬ 
siedelungen, die in allen Karpathenländern bestanden, nicht ein¬ 
gegangen. Dann wäre westliche Kultur schon weiter nach dem Osten 
gedrungen und hätte einen guten Teil der geknechteten Völker 
befreit. Dann wäre für den von Fr. v. Liszt jetzt erörterten 
„Mitteleuropäischen Staatenbund" oder für einen engeren Zollbund 
der europäischen Zentralmächte und ihrer südöstlichen Nachbarn 
bis nach Vorderasien der Boden viel mehr als heute vorbereitet. 
Es wird nun vielleicht mancher Leser sofort sagen, das trau¬ 
rige Schicksal der früheren deutschen Ansiedelungen ist ein Finger¬ 
zeig, daß auch die gegenwärtigen unhaltbar sind. Wenn in Ga¬ 
lizien das blühende Deutschtum in Krakau, Sander, Neumarkt, 
Lemberg und in zahlreichen anderen Orten sich nicht erhalten hat, 
so werden auch die heute bestehenden Kolonien zugrunde gehen 
müssen. Dieser Schluß ist aber falsch! Der Untergang jener 
mittelalterlichen Ansiedelungen ist unter ganz anderen Verhältnissen 
erfolgt. Damals kümmerte sich das deutsche Volk nicht um seine 
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