Außer den politischen und wirtschaftlichen Belangen hat
aber noch eine mächtige Kraft in letzter Zeit eingegriffen und
innigere Beziehungen zwischen den Deutschen hüben und drüben
hervorgerufen. Es ist das Erwachen des deutsch-völkischen
Bewußtseins und Zusammengehörigkeitsgefühls.
Die traurige Spannung, die der Kampf um die Vorherr¬
schaft zwischen den Teilen des deutschen Volkes herbeigeführt hat,
ist allmählich geschwunden. Die Zeit heilte auch die Wunde von
1866. Die Deutschösterreicher fanden sich mit ihrer Stellung ab
und lernten sich des raschen Fortschrittes ihrer Brüder im neuen
Reich freuen. Als dann die Lage der Deutschen in Österreich-
Angarn immer härter wurde, als das Bündnis von 1879 sie
nur noch verschärfte, da begann sich das Mitgefühl im reichs-
deutschen Volke zu regen. Kaum war der Wiener Deutsche Schul¬
verein 1880 entstanden, so wurde auch der Berliner Deutsche
Schulverein (jetzt Verein für Erhaltung des Deutschtums im Aus¬
land) gegründet, der zunächst die Unterstützung der Deutschen in
Angarn als seine Aufgabe betrachtete. Auch sonst begann man
in dieser Zeit in Deutschland für das Deutschtum im Osten ein¬
zutreten; die ersten Kampfschriften für dessen Rechte erschienen.
Als dann die Zahl der deutschen Schutzvereine in der Donau¬
monarchie zunahm, als die Kunde vom wackeren Streiten für die
deutsche Sprache und die deutschen Belange allenthalben bekannt
wurde, weckte dieses Bemühen noch lebhaftere Teilnahme. Dazu
kam, daß besonders von den Führern der Karpathendeutschen immer
wieder betont wurde, daß die Rot der Deutschen in Osterreich-
Angarn eine Folge des Zahres 1866 sei und daß schon dieser
Amstand die Teilnahme der Reichsdeutschen veranlassen müßte.
Zugleich wurde auf das Interesse des deutschen Gesamtvolkes an
dem Bestände der deutschen Vorposten im Osten hingewiesen.
Immer enger wurde die Fühlung der Volksgenossen hüben und
drüben. Die Schutzvereine traten in engere Berührung; sie be¬
gannen gegenseitig ihre Versammlungen zu beschicken. So lernte
man im Reiche die Deutschösterreicher wieder lieben und schätzen.
Dazu kam die Erkenntnis, daß sowohl für die Verinnigung des
politischen Bündnisses als auch für die Verfolgung der wirt¬
schaftlichen Ziele im Orient die Deutschösterreicher von hohem
Wert sind. Die praktischen Interessen gaben den idealeren eine
feste Stütze.
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