Volltext: Deutsche Siedlung im Osten [34]

rücksichtigte es nicht, und die Deutschen zersplitterten sich in Par¬ 
teien, die sich gegenseitig bekämpften. Die Deutschen im Reich 
ließ diese Not kalt: man schien dafür kein Interesse zu haben. 
Am so weniger dachte man daran, die deutschen Interessen 
weiter im Osten zu vertreten. Schon 1841 hat Moltte als die 
für die deutsche Politik maßgebende Richtung Berlin—Wien— 
Konstantinopel bezeichnet, und vor 50 Jahren hat Viktor Aime 
Äuber bemerkt: „Deutschlands Zukunft und welthistorischer Be¬ 
ruf liegt im überwiegenden Maße, man kann wohl sagen: zu 
drei Vierteilen, nicht nach der von Preußen, sondern in der von 
Österreich vermittelten Richtung. Nicht nach Nordost längs des 
Rheins, der Weser, Elbe, Oder, Weichsel, sondern nach Südosten 
längs der Donau bis an das Schwarze Meer, dann weiter nach 
Vorderasien." Diese Erkenntnis ist aber seither lange verdunkelt 
gewesen; Deutschlands Zukunft schien auf dem Wasser zu liegen; 
kein Opfer, keine Verwicklung schien zu groß, um dieses nebulöse 
„Größere Deutschland" zu verwirklichen; den Osten verlor man 
ganz aus den Augen. Die vereinzelten Stimmen, die hier im 
Osten selbst das Augenmerk des deutschen Volkes auf sein altes 
Kolonisations- und Arbeitsgebiet zu lenken suchten, verhallten fast 
wirkungslos; ihre Linweise auf die Lehren der Geschichte hatten 
für die führenden Faktoren keine Beweiskraft. Selbst als der 
Engländer Iohnston 1903 den Ausspruch tat, er würde als 
Deutscher ein starkes deutsch-österreichisches Reich erstreben, das 
mit seinen zwei Lauptemporien Lamburg und Konstantinopel 
seinen Einfluß von Skandinavien bis Mesopotamien erstrecken 
sollte, wurde dies noch immer wenig beachtet. Das von Schmoller 
entworfene Zukunftsbild einer österreichisch-deutschen Zollunion 
mit einem Zollbundesrat, der abwechselnd in Berlin und Wien 
tagen soll, erschien als eine rein akademische Sache. Es scheint, 
daß man im Deutschen Reich allen Schwierigkeiten, die mit diesen 
Fragen zusammenhingen, aus dem Wege ging. Seit Bismarck 
hat man das Balkanproblem und die sonstigen orientalischen 
Fragen als eine vor allem Österreich interessierende Angelegenheit 
angesehen. Bismarck hatte Österreich auf den Balkan verwiesen; 
er hat bekanntlich auch die Ansicht ausgesprochen, daß die 
deutsche Reichsverfaffung den Weg zeigt, auf dem Österreich 
eine Versöhnung der politischen und materiellen Interessen er¬ 
reichen könnte, die zwischen der Ostgrenze des rumänischen Volks- 
Kain dl, Deutsche Siedlung im Osten 2 17
	        
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