Volltext: Deutsche Siedlung im Osten [34]

Deutschen hüben und drüben getrieben. Leute, da diese bedauerns¬ 
werte Erscheinung überwunden ist, darf man mit Gleichmut darüber 
sprechen: aber man muß auf sie hinweisen, um für alle Zukunft 
davor zu warnen. Wer weiß nicht, welche Spannung in Öster¬ 
reich gegen Preußen noch viele Jahre nach 1866 bestand! Wie 
schwer war uns die gerechte Beurteilung Bismarcks, und wie 
wenige freuten sich des Erfolges der „Deutschen". Man sah ja A 
nur damals den schweren Nachteil, niemand ahnte noch, welche 
großen Vorteile das Bündnis mit dem starken, geeinigten Deutsch¬ 
land uns bieten würde. And drüben vergaß man, daß wir Deutsch- 
österreicher auch Deutsche seien. Man sprach offen davon, daß 
1871 alle deutschen Stämme geeinigt worden sind. Diese un¬ 
richtige Behauptung wurde zu einem gefährlichen Schlagworte. 
Man gewöhnte sich in Deutschland daran, die Deutschösterreicher 
als Ausländer zu betrachten. Auch für die meisten gebildeten 
Reichsdeutschen fiel das deutsche Volk mit dem Deutschen Reich 
zusammen. Man vergaß völlig das größere Deutschland, für das 
Arndt, Ahland, Loffmann von Fallersleben u. a. warme Töne ge¬ 
funden hatten. So kam es auch, daß man die Deutschösterreicher 
überhaupt gering einschätzte und von ihnen im Deutschen Reich f 
nichts wissen wollte. Man redete sich förmlich ein, daß man an 
ihnen nichts verloren habe, oder empfand ihr Schaffen als lästigen 
Wettbewerb. Dafür ist der Amstand bezeichnend, daß zuerst 
in einem Berliner Blatt, dann in anderen deutschen Zeitungen 
ein Artikel gedruckt wurde, der sich darüber entrüstete, daß in 
Berlin Dichtungen deutschösterreichischer Schriftsteller, die doch 
keine eigentlichen Deutsche seien, auf die Bühne gebracht würden. 
Diese Entfremdung und Minderschätzung hat sich auch auf den 
politischen Wert Österreichs übertragen. Noch vor kurzer Zeit 
fragten in Deutschland gewisse Politiker nicht nach dem Schicksal 
der Deutschen in Österreich, wenn sie davor warnten, ihren Staat 
zu eng mit einem „Kadaver" zu verbinden. Das ist der kurz¬ 
sichtige Geist, der einem Lerrn Sittenfeld den traurigen Mut * 
gab, in der „Berliner Morgenpost" während der letzten Krise vor 
zwei Jahren festzustellen, daß die Österreicher doch recht entfernte 
Anverwandte und der Anterstützung durch das Deutsche Reich 
nicht wert seien. Von derselben Gesinnung erfüllt war der be¬ 
kannte Leitartikel der „Kyffhäuser Zeitung", der im Lerbst 1913 
den Anwert des Bündnisses mit Österreich erörterte und riet, „der 
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