Volltext: Deutsche Siedlung im Osten [34]

wurde die Amtssprache; deutsche Handwerker und Kaufleute ließen 
sich nieder; die großen Orte erhielten deutsche Stadtordnung. 
Auch nach dem Aufhören der Militärverwaltung blieb das deutsche 
Wesen aufrecht, obwohl die Bukowina für 60 Jahre mit Gali¬ 
zien vereinigt wurde. Trotzdem die Deutschen nur etwa ein Zehntel 
der Landesbevölkerung ausmachen, nahmen doch die größeren Orte 
der Bukowina, vor allem die Landeshauptstadt, deutschen Charakter 
an. Die allgemein verbreitete Verständigungssprache wurde die 
deutsche; sie herrscht auch in Amt und Schule vor. Den Deutschen 
verdankt die Bukowina, daß sie rasch die benachbarten Gebiete 
kulturell überflügelte. Es ist immerhin bemerkenswert, daß schon 
vor 70 Jahren Czernowitz als Kleinwien bezeichnet wurde und 
daß man die Bukowina die deutsche Kulturoase im Osten nannte. 
Äundert Jahre nach der Besetzung des öden Landes, in dem 
die geistige Bildung gleich Null war, konnte die deutsche Uni¬ 
versität in Czernowitz eröffnet werden, die einem allgemein empfun¬ 
denen Bedürfnisse entsprach und sich gut entwickelte! 
Daraus ist zu ersehen, daß die deutsche Kulturkraft auch noch 
in der jüngsten Vergangenheit überaus günstige Erfolge erzielen 
konnte, und zwar nicht nur zum einseitigen deutschen Vorteile, 
sondern auch zum Segen anderer Nationen. Welch schöne Er¬ 
folge hätten auch in den anderen Karpathen- und Balkanländern 
erreicht werden können! Leider hat sich die Kolonisation nicht 
genügend kräftig entwickelt. Einer der Gründe war die Schwierig¬ 
keit der Gewinnung von brauchbaren Ansiedlern. Deutschland 
hatte seine überschüssige Kraft massenhaft über See geschickt, auch 
als verkaufte Söldner; der Abwanderung nach dem Osten legten 
die Fürsten Schwierigkeiten in den Weg. Dazu kam, daß im 
19. Jahrhundert die deutschen Fürsten und das deutsche Volk 
andere Sorgen hatten als die Weiterförderung dieses verheißungs¬ 
voll begonnenen Werkes. Franzosennot, Verfaffungskämpfe, schlie߬ 
lich der Bruderkampf um die Vorherrschaft in Deutschland nahmen 
alle Kräfte in Anspruch. 
Wir stehen den Ereignissen von 1866 heute ruhig abwägend 
gegenüber. Wir wissen den Wert des geeinigten „Kleindeutschlands" 
zu würdigen; aber wir wissen auch, daß dieser Erfolg mit der 
Auseinanderreißung des deutschen Volkes teuer erkauft worden 
ist. Der Kampf und der Krieg um die Vorherrschaft haben — 
wie dies nicht anders sein konnte — auch einen Keil zwischen die
	        
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